Seite:Posse Band 5 0178.jpg

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Das große Siegel, das in den Urkunden als königliches oder kaiserliches anhängendes Insiegel bezeichnet wird, wurde bei allen hohen Regalien, Lehen, großen Hauptverschreibungen u. a.[1] verwendet, und zwar der mit der Königskrone bedeckte Schild, auf dem sich der einfache Adler, mit Heiligenschein, befindet. Dieser trägt auf der Brust das Wappen von Kastilien und Österreich. Die Kette des goldenen Vließes umgibt den Schild, 11 gekrönte Wappenschilde umgeben das innere Bild. Das Ganze wird gehalten von zwei Greifen (III, Taf. 21, 1). Dasselbe Bild erhielt Aufnahme in das größere Siegel der Kaiserzeit Ferdinands I., nur statt des einfachen Adlers findet sich hier der Doppeladler, statt der Königs- die Kaiserkrone (III, Taf. 22, 4). Während dann Maximilian II. (III, Taf. 29, 1 und 30, 1)[2], Rudolf II. (III, Taf. 36, 1) und Matthias (III, Taf. 41, 6) dieses Siegelbild in Neustichen unverändert übernahmen, ließ es Ferdinand II. (III, Taf. 48, 1) neu stechen. Diesen Stempel übernahm Ferdinand III.; hier wurde nur das SECVNDVS der Umschrift in TERTIVS umgeändert (III, Taf. 54, 5). Denselben Stempel mit Änderung der Namen haben dann Leopold I., der den Anfang der Umschrift umändern und die Jahreszahl 1658 zufügen ließ (III, Taf. 61, 1), sowie auch Josef I. mit Namensänderung und Änderung der Zahl 1658 in 1705 weiter geführt (III, Taf. 70, 1).

Mit Karl VI. erhielt das Siegel eine wesentliche Veränderung und einen Zuwachs durch die spanischen Wappen, die er als natürlicher Erbe der spanischen Monarchie zu den österreichischen Wappen fügen ließ, wie sie zuerst sein römisches Königssiegel (IV, Taf. 3, 5) zeigt. Es finden sich in dem dem Adler aufgelegten Schilde 22 Felder bez. Schilde von Länderwappen: Ungarn, Böhmen, Kastilien, Leon, Aragon, Sizilien, Parma, Kroatien, Kiburg, Antwerpen, Bosnien, Tirol, Flandern, Burgund, Neapel, Majorka, Jerusalem, Indien, Sardinien, Katalonien, Mailand-Lombardei, Österreich.

Das große Kaisersiegel (IV, Taf. 4, 3) hat dann die Schilde von Parma, Kiburg, Majorka und Sardinien aufgegeben und dafür Dalmatien, Brabant, Habsburg, Schwaben und Navarra aufgenommen. Die Schilde von Majorka, Indien und Sardinien finden sich in keinem der Siegel von Karls VI. Nachfolgern.

Karls VI., Nachfolger Karl VII. nahm für das große Kaisersiegel einen von Bayern und der Pfalz quadrierten Schild (IV, Taf. 13, 3) an, während dessen Nachfolger Franz I. in seinem Königssiegel wieder auf den Schild Karls VI. zurückgriff, aus dem in den neuen Schild (IV, Taf. 15, 1. 2) die Wappen von Ungarn, Jerusalem, Neapel und Aragon übergingen. Neu hinzu wurden gefügt: Anjon, Geldern, Jülich, als Herzschild Lothringen, Toskana, der einköpfige Reichsadler und Falkenstein, doch wurden im großen Kaisersiegel (IV, Taf. 15, 3) die beiden letzteren weggelassen, und Falkenstein kam erst unter Josef II. wieder in den Schild (IV, Taf. 39, 4).

Auch der Schild Josef II. lehnt sich zunächst im Königssiegel (IV, Taf. 36, 4) in seiner Zusammensetzung an den des großen Kaisersiegels Karl VI. (IV, Taf. 4, 3) an, dem er die Wappen von Luxemburg, Mähren, Steiermark, Kärnthen, Krain, Barr (aus dem Schilde Franz I. (IV, Taf. 15, 1. 2)), Schlesien, Jülich (aus dem Schilde Franz I.), Görz, Siebenbürgen, Toskana und Lothringen (beide aus dem Schilde Franz I.) hinzufügte. Eine weitere Vermehrung erhielt der Kaiserschild in dem bis 1780 geführten Siegel (IV, Taf. 36, 6) durch Hinzufügung von Brabant, Habsburg, Mantua, Ober- und Niederlausitz, Burgau, Württemberg und Slavonien, und eine weitere Bereicherung in dem großen Kaisersiegel nach 1780 (IV, Taf. 39, 4) durch Hinzufügung der Wappen von Gradiska, Lodomirien, Limburg, Geldern, Falkenstein, Anjou und Teschen.

Diesen Wappenschild hat Leopold II. (IV, Taf. 44, 2) unter Zufügung von Galizien beibehalten, wie denn auch der zweite große Stempel (IV, Taf. 45, 1) nur mit Änderung des Namens in der Umschrift für seinen Nachfolger Franz II. (IV, Taf. 48, 3) hergerichtet wurde und bis 1804 in Gebrauch blieb. An seine Stelle trat mit Wappendekret vom 11. August 1804 (Beilage 2) ein ganz neu gestaltetes (IV, Taf. 51, 1), dessen man sich bis zur Auflösung des Reiches bediente, das aber mit Wappendekret vom 6. August 1806 dem römisch-österreichischen kaiserlichen großen Siegel weichen mußte. Der Schild des Königssiegels Leopolds II. (IV, Taf. 44, 1) und das im Neustich gleiche Königssiegel Franz II. (IV, Taf. 48, 2) hat mit dem Königssiegel Josef II. (IV, Taf. 36, 4) nur die zwölf Wappen: Böhmen, Burgund, Flandern, Jülich, Kroatien, Lothringen, Mailand, Österreich, Siebenbürgen, Tirol, Toskana und Ungarn gemeinsam, fügt diesem aber die Wappen von Galizien, Mantua und Württemberg, die sich schon in den Kaisersiegeln seit Josef II. finden, hinzu.

Das mittlere Siegel wurde nach der Reichshofkanzleiordnung vom 1. Juni 1559 für geringere Gnadenbriefe verwendet[3]. In der Königszeit Ferdinands I. kam in Gebrauch ein einfacher Adler, mit Heiligenschein, darüber die Königskrone. Auf der Brust des Adlers liegt ein quadrierter Schild, der im ersten Felde Ungarn, im zweiten Böhmen zeigt. Das dritte Feld ist quadriert von Kastilien und Leon, das vierte gespalten vorn von Burgund, hinten geteilt


  1. Ebenda 2, 298 § 19. 1559 Juni 1: in der versigelung disen unterschaid halten sol, das er alle hohe regalien, lehen, was churfursten, fursten, furstmessigen gegeben, auch grosse haubtverschreibungen, adels- und andere freihaiten mit unserm grossen, aber deren vom adel lehen-, wappen- und andere geringere gnadenbriefe mit unserm mitlern insigeln besigle. Ebendas. 297 § 16: Was von papieren briefen, missiven oder patenten were, die sol unser taxator übersehen … volgends so es missiven, dieselbige samt iren zuehörigen einschlussen, bei – oder zulegen verschliessen, solche papirn brief alle mit unserm sekret, so wir ime zuestellen lassen und vertrauet, versiglen. Vgl. II, 5. Beurkundung und Besiegelung.
  2. Als römischer König ließ sich Maximilian II. ein großes, mittleres und kleines (Sekret) stechen (III, Taf. 29, 1–4), deren Herzschilde jedoch nicht den Schild von Österreich, sondern den von Österreich und Kastilien gespaltenen Schild zeigen.
  3. [178] Vgl. S. 177 Anm. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0178.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)