Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/152

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Liebe ist allemahl wonnevolles Streben nach der Ueberzeugung, daß ein anderer sich glücklich fühle. Es kann also zuerst die Ueppigkeit der Seele, als der unterste Grad ihrer Geschlechtssympathie, jener Trieb nach Häuslichkeit, nach Befriedigung der Eitelkeit, nach Stolz auf den Besitz der Person, u. s. w. erregt seyn, ohne Liebe zu erwecken. Der Mensch, dessen Seele wir aus solchen Gründen uns anzueignen streben, wird bloß als ein Mittel betrachtet, uns diese Art von Genuß zu bereiten; mithin genießen wir ganz eigennützig und unbekümmert um sein Wohl, die Gewährung unsers Häuslichkeitstriebes, unserer Eitelkeit, unsers Stolzes. Darum ist die Galanterie vielleicht nirgends höher getrieben, als in den südlichen Theilen von Europa, und nirgends weniger Liebe anzutreffen gewesen.

Aus eben diesem Grunde kann auch die höhere Stufe der Geschlechtssympathie, die Wirksamkeit des schwärmerischen Aneignungs- und Verwandlungstriebes der Geister nicht für Liebe gelten. Dieß ist oben bereits gezeigt worden. Das Bild in unserer Seele ist keines Bewußtseins seines Glücks fähig: nur das empfindende Wesen, das den Stoff zu dem Bilde hergiebt, kann von uns als selbständig glücklich erkannt werden. Vergessen wir nun über jenem Bilde dieß empfindende Original; so sind wir aller Liebe zu diesem unfähig, so sind wir im Stande, die größten Grausamkeiten gegen das letzte auszuüben, bloß um das erste in seiner phantastischen Consistenz zu erhalten. So verfuhren die Athenienser mit dem Vaterlande und mit der Freyheit. Sic empfanden Wonne an dem Bilde, und mordeten, unterjochten die Mitbürger und ihre wahre Freyheit. Die neuern Franzosen unter Robespierre machten es nicht besser.