Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/215

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Man kann ein vortrefflicher Mensch und Bürger und dennoch wenig bekannt mit diesen Pflichten des weitern geselligen Umgangs, wenig fertig in ihrer Ausübung seyn. Wenn wir uns in solchen weiteren Verhältnissen mit andern denken, so erscheint dieser Vorzug wie ein überflüssiger Schmuck. Man kann als Hausvater, als Camerad, als Freund und Geliebter desselben entbehren. Bey einer so nahen Verbindung wird seine Unentbehrlichkeit nicht so auffallend gefühlt. Völker im patriarchalischen Zustande, Völker, deren Staaten aus weit aus einander wohnenden Familien bestehen, scheinen zum bequemen Nebeneinanderseyn ihrer Bürger mit Beobachtung der Pflichten, welche Moral, Klugheit und bürgerliche Gesetze auflegen, auszureichen. Aber da, wo Menschen dicht neben einander wohnen, die in keine so genaue Verbindung mit einander treten können, um sich ihre Schwächen leicht zu verzeihen, und dennoch zu nahe an einander gerückt sind, als daß sie der Furcht ihrer nachtheiligen Ausbrüche überhoben seyn könnten; da fängt dieser Vorzug an, wichtig zu werden. Und hierin liegt der Grund, warum man die fertige Beobachtung der Pflichten des weiteren geselligen Umgangs Urbanität, städtisches Wesen, Höflichkeit, höfisches Wesen, genannt hat. Denn in Städten und bey Hofe fühlt man am auffallendsten den Nutzen dieser Fertigkeit; hier rücken die Menschen näher zusammen, ohne jedoch mit einander vertraut zu werden.

Urbanität – es sey mir erlaubt, diesen Nahmen statt aller andern zu gebrauchen, – Urbanität ist die fertige Beobachtung der Vorschriften, nach denen unsere Person in den Verhältnissen des weitern geselligen Umgangs