Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/319

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Gewiß aber ist es, daß das Ideal eines menschlichen Geistes, die Vorzüge, welche wir vorhin unter dem Nahmen der Zartheit dem Weibe beygelegt haben, neben den Vorzügen erfordert, die wir unter dem Nahmen der Stärke zusammengefaßt haben. Nur dann vereinigt der Mensch alles in sich, was wir in unserer Welt sinnlicher Erscheinungen von seinem Geiste fordern, wenn die Feinheit und Gewandheit seines Geistes dessen Tiefblick und Gründlichkeit unterstützt, und ein glücklicher Instinkt den Operationen seiner höheren Seelenkräfte zu Hülfe kommt. Gesetzt also, wir könnten einen vorzüglichen weiblichen Geist mit einem vorzüglichen männlichen zusammensetzen, so würde dieses neugeformte Wesen die Vorzüge der ganzen Gattung in sich fassen, und gewiß den höchsten Anspruch auf Geistesvollkommenheit haben.

Nach diesen Bemerkungen dürfte es nicht schwer werden, den wahren Gesichtspunkt anzugeben, aus dem der Antheil beurtheilt werden muß, den beyde Geschlechter an ihrer wechselseitigen Ausbildung nehmen können.

Laßt uns zuerst sehen, in welchen Fällen der Geist des Mannes durch die engere Verbindung mit einer geistreichen Frau gewinnen kann! Ich denke ihn mir im handelnden Leben als Verbreiter der Wahrheit und Wissenschaft, als Beförderer nützlicher Anstalten, als Künstler, als Gesellschafter. In allen diesen Fällen kommt es ihm oft darauf an, gegenwärtig auf den größeren Haufen zu wirken, die öffentliche Meinung zu seinem Vortheile zu leiten, der Wahrheit und Zweckmäßigkeit Eingang zu verschaffen, das Schöne reitzend, das Unterhaltende belustigend darzustellen. Wahl des Gehalts und Einkleidung werden ihn dabey gleich wichtig, und hierzu, ich behaupte es dreist, kann ihm die Bildung des Geistes,