Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/324

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die Sache des liebenden Mannes, den Studien des geliebten Weibes die gehörige Richtung zu geben, und es vor den Gefahren der Anmaßung und der Uebertreibung zu bewahren. Auf solche Art tragen also beyde Geschlechter zur wechselseitigen Vervollkommnung ihres Geistes bey! Und selbst da, wo ihre Bestimmung, wo ihre Kräfte zu weit von einander abliegen, als daß sie sich unmittelbar zu Hülfe kommen könnten, wie viel können sie sich noch da durch wechselseitige Ermunterung und Anfeuerung einander werth werden. Es liegt ein hoher Antrieb zur Veredlung unserer Geisteskräfte in dem Gedanken, daß der geliebte Gegenstand uns auch darum achtet, daß wir in unserer Art schätzbar sind, unserer eigenen Achtung genießen, und der Achtung anderer Personen unsers Geschlechts! Dieß Gefühl flößt der Gelehrte, der Held, der Staatsmann seiner Gattin, die kluge Hausfrau, die geschätzte Regentin der örtlichen Gesellschaft, dem Gatten ein, wenn gleich beyde nicht völlig beurtheilen können was dazu gehört, um in den angezeigten Verhältnissen einen ungewöhnlichen Geist zu zeigen.

Eben diese Bemerkungen zeichnen nun aber auch die Grenzen vor, worin sich die wechselseitige Sorge für die Ausbildung des Geistes unter den beyden Liebenden von verschiedenem Geschlechte halten muß.

Nur zu häufig ist der Fehler, daß die Liebenden sich in der ihrem Geschlechte angemessenen Ausbildung hindern, weil der eine verlangt, daß der andere die Kräfte seines Geistes ganz allein zur Behandlung solcher Gegenstände anwenden soll, worin sie beyde mit ihrer Wirksamkeit zusammentreffen können. Es ist gar nicht selten, daß der liebende Mann die Geliebte von aller weiblichen