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BEATRICE.
(Die Braut von Messina.)


Dass der Instinct des dichterischen Genie ihn allemal richtiger geleitet habe als sein theoretisches Raisonnement, war eine Behauptung, die wir schon in den erläuternden Worten zu Schiller’s Bildniss ausgesprochen haben. Die „Braut von Messina“ ist vielleicht der stärkste Beweis für dieselbe, da hier der Dichter den Höhepunkt seiner Leistungen zu erreichen glaubte, indem er, sich dem Ideal der griechischen Kunstform aufs genaueste anschliessend, ihm die hellenische Anschauung des Schicksals, das den Menschen auch ohne sein Verschulden dem Untergang weiht, zur Grundlage gab, – eine Anschauung, die allen unsern Vorstellungen von poetischer und göttlicher Gerechtigkeit widerspricht. Die Folge war aber, dass das Publikum es hauptsächlich da, wo sein Genie ihn seiner Theorie untreu werden liess, bewunderte, während es auf die Künstler sehr verderblich wirkte, da alle jene „Schicksalsdramen“, mit denen wir von Müllner, Werner u. a. Jahrzehnde lang heimgesucht wurden, auf Schiller’s glänzendem Vorgange beruhten. Es wurde mit dieser fatalistischen Theorie der Vorherbestimmung, wie sie in dem Stück entwickelt wird, ein grausamer Misbrauch getrieben, und so alle unsere modernen sittlichen Begriffe verwirrt, die doch lediglich in der freien Selbstbestimmung des Menschen ihre Basis haben, eine Basis, die bei oberflächlicher Betrachtung in der Entfaltung des Geschicks der messinesischen Fürstenfamilie aufgehoben schien. Allerdings ist dies wol in der griechischen Tragödie, in unserm Stücke aber keineswegs consequent festgehalten; wie das Schicksal der

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/330&oldid=- (Version vom 1.8.2018)