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III
Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten.
Fortsetzung.

Die Familie hatte zusammen, wie gewöhnlich, das Frühstück eingenommen und die Baronesse saß wieder an ihrem Stickrahmen. Nach einem kurzen allgemeinen Stillschweigen begann der geistliche Hausfreund mit einigem Lächeln: es ist zwar selten, daß Sänger, Dichter und Erzähler, die eine Gesellschaft zu unterhalten versprechen, es zur rechten Zeit thun, vielmehr lassen sie sich gewöhnlich, wo sie willig seyn sollten, sehr dringend bitten, und sind zudringlich, wenn man ihren Vortrag gern ablehnen möchte. Ich hoffe daher eine Ausnahme zu machen, wenn ich anfrage, ob Ihnen in diesem Augenblicke gelegen sey irgend eine Geschichte anzuhören?

Recht gerne, versetzte die Baronesse, und ich glaube es werden alle übrige mit mir übereinstimmen. Doch wenn Sie uns eine Geschichte zur Probe geben wollen, so muß ich Ihnen sagen, welche Art ich nicht liebe. Jene Erzählungen machen mir keine Freude, bey welchen, nach Weise der Tausend und Einen Nacht, Eine Begebenheit in die andere eingeschachtelt, Ein Interesse durch das andere verdrängt wird. Wo sich der Erzähler genöthigt sieht, die Neugierde, die er auf eine leichtsinnige Weise erregt hat, durch Unterbrechung zu reitzen, und die Aufmerksamkeit,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 4-41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_2-1795.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)