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das höchste Gut der Frauen geschätzt wird. Wie mancher Mann kann durch seine Gegenwart den Verlust dieses Schatzes nicht hindern, und vermißt gedultig, was er nicht erhalten kann. Warum solltest du nicht Muth haben, dich eines solchen Gutes zu entschlagen, da von diesem Entschlusse dein Leben abhängt.

Mit diesen Worten ermannte er sich und ließ seine Schiffsgesellen rufen. Er trug ihnen auf nach gewohnter Weise ein Fahrzeug zu befrachten, und alles bereit zu halten, daß sie bey dem ersten günstigen Winde auslaufen könnten. Darauf erklärte er sich gegen seine Frau folgendermaßen:

Laß dich nicht befremden, wenn du in dem Hause eine Bewegung siehst, woraus du schließen kannst, daß ich mich zu einer Abreise anschicke; betrübe dich nicht, wenn ich dir gestehe, daß ich abermals eine Seefahrt zu unternehmen gedenke. Meine Liebe zu dir ist noch immer dieselbe, und sie wird es gewiß in meinem ganzen Leben bleiben. Ich erkenne den Werth des Glücks, das ich bisher an Deiner Seite genoß, und würde ihn noch reiner fühlen, wenn ich mir nicht oft Vorwürfe der Unthätigkeit und Nachlässigkeit im Stillen machen müßte. Meine alte Neigung wacht wieder auf und meine alte Gewohnheit zieht mich wieder an. Erlaube mir, daß ich den Markt von Alexandrien wieder sehe, den ich jetzt mit größerem Eifer besuchen werde, weil ich dort die köstlichsten Stoffe und die edelsten Kostbarkeiten für Dich zu gewinnen denke. Ich lasse Dich im Besitz aller meiner Güter und meines ganzen Vermögens, bediene Dich dessen und vergnüge Dich mit deinen Eltern und Verwandten.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 4-49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_2-1795.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)