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Ihm gehorchend ward’s auf La Tour lebendig. Zuerst stürzten die Garçons, die Pagen schlaftrunken hervor, liefen über den weiten Schloßplatz an der Parkmauer hin und eilten in die Pferdeställe oder in die eleganten Häuschen, wo die jetzt schon aus Leibeskräften kläffende Meute logirte. Die Thüren wurden aufgestoßen und die Rüden kamen, bösartig gähnend, zum Vorschein und fingen an langsam hin und her zu traben.

Jetzt wurden die Rosse herausgeführt. Sie schüttelten sich heftig und wieherten hell auf, während sie zum Striegeln und Putzen angebunden wurden.

Eines dieser Thiere war ein andalusisches; schöner war selbst der Lieblings-Schimmel des Béarners nicht. Es wollte sich von dem einen der Stalljungen durchaus nicht führen lassen.

Ein schlanker, entschlossen aussehender Mann von etwa 30 Jahren, der Stallmeister, trat rasch herbei.

– Was soll das Pferd hier? fragte er sehr übellaunig.

– Putzen will ich’s, Maître Le Clou! sagte der Bursche.

– Das hieß Dir Niemand, Coquin! Will dieser Sang de dieu, dieser spanische chien, sein Pferd blank haben, so putz’ er’s selbst! Weg damit!

Tant mieux! Meine Arme machen Euch ihr ergebenstes Compliment, Monsieur Le Clou! erwiderte der Reitknecht.

– Daß Dir meine geballten Hände nicht ein fühlbares Gegencompliment machen! war die Antwort.

Die Stallknechte sahen sich bedeutend an: der Stallmeister war heute höchst „quer“ aufgestanden. Er ging mit einiger Heftigkeit, immer noch für sich brummend, über den grünen Platz und stieg die breite, rings mit Epheu umhangene Treppe hinan, die von hier aus in’s Innere des Schlosses führte.

Auf der Mitte der Treppe blieb er plötzlich stehen. Die Kräfte schienen ihm zu mangeln. – Ein reizendes Mädchen, augenscheinlich eine Zofe, kam ihm entgegen. Sie drückte sich halb ängstlich, halb widerwillig an das steinerne Treppengeländer, um vor dem Manne vorbeizukommen. Dieser aber erhob seine Hand und legte sie ihr auf den Arm. Das Mädchen stand sehr befangen still. Dann aber schien sie unwillig zu werden.

– Le Clou, Ihr werdet mir doch den Weg nicht versperren?

Le Clou sah ziemlich feierlich aus.

– Mademoiselle Jeanneton! sagte er, tief aufseufzend.

Eh bien!

Ah! vous, si vous m’aimas un pau . . .

Plaignis m’un pau, preccaire . . . murmelte Le Clou.

Jeanneton schien gerührt zu werden.

Was habt Ihr an diesem Spanier, Mädchen? fragte Le Clou aufgebracht. Er liebt Dich nicht, wird Dich nicht lieben; denn dieses finstere Gemüth kann nur hassen. Warum findet die Stimme meines Herzens in dem Deinigen kein Echo mehr? Warum, Leichtsinnige, Verblendete, bist Du mir, Deinem aufrichtigsten Freunde, fremd geworden?

– Ah! Monsieur Le Clou, Ihr seid sehr gebieterischer Laune! Indeß gehöre ich, Gottlob! nicht zu den Leuten, denen Ihr etwas zu befehlen hättet. Adieu!

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)