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Le Clou kämpfte einen Augenblick mit sich. Er schien geneigt zu sein, die schlanke Taille der braunäugigen Zofe zu umfassen und mit ihren frischen Lippen in interessante Beziehung zu treten. Dann aber schob er den Hut aus den Augen und sah sehr impertinent, ja drohend aus.

– Demoiselle! sagte er sehr maliziös. Hütet Euch; ich sage es. Ihr habt Eure Neigung einem erzkatholischen, perfiden Schufte zugewandt, der nur anfangen darf, durch die That seinen Herzensgedanken Luft zu machen, um sofort das Viertheilen ehrlich verdient zu haben. Versteht Ihr mich? Ich warne Euch! Laßt Euch zu keinem Werkzeuge der Italiener und der Guisen gebrauchen, mordious! Ihr wäret einfältig genug, um auf Anstiften Eures spanischen Schurken, oder – ich kümmere mich nichts um das Wort – auf Anstiften Seiner Hochwürdigkeit, des edlen Herrn Erzbischofs von Luçon – Sang de dieu! – den König sammt der gnädigen Frau wie Ratten zu vergiften.

Jeannette schlug die Hände zusammen und ward vor Bestürzung schneebleich.

– Ah! Le Clou, Ihr sprecht mit einer Hugenottin . . . konnte sie blos stammeln.

– Einer Hugenottin mit einem katholischen Liebhaber, das heißt, mit einem katholischen Herzen . . .

– Das ist keine Sünde; auch der König ist katholisch geworden . . .

– Aber er hat la belle France dafür erhalten, armes Mädchen . . .

– Und wenn ich nun ein Herz erhielte, welches für mich denselben Werth hätte? fragte Jeanneton, an ihrer Schürze zupfend.

Ah bah! macht Le Clou und geht brusque an dem Mädchen vorüber.

Sie wartet einen Augenblick; sie will augenscheinlich den schönen Picardier zurückrufen; dann aber erwacht ihr Stolz. Sie wirft das Trotzköpfchen stolz zurück; ihre Oberlippe kräuselt sich und sie geht festen Schrittes die Treppen hinunter, indeß der Stallmeister wie der Blitz nach oben eilt.

Oben auf der ersten Gallerie oder besser Terrasse, denn sie lehnt sich an den Wall und ist sehr breit, kommt dem Stallmeister ein dicker Priester entgegen. Er trägt die Kleidung eines Erzbischofs. Um sich zwischen den vielen Ketzern möglichst wichtig zu machen, hat er sich bereits in Ornat geworfen; es fehlen diesem, mit dem weißen Meßrock Prangenden, nur noch einige Stücke, und die „grande Tenue“ ist complet.

Pax vobiscum! näselt der Priester.

– Geh zum Diantre! murmelte Le Clou.

Aber heute hat sich gegen ihn Alles verschworen. Einige Schritte weiter kommt sein eigentlicher Busenfreund, Don Diego Lascara, der Spanier. Er ist schlank, klein; muß aber dennoch ein gefährlicher Nebenbuhler genannt werden; denn sein gelbbräunliches Gesicht ist regelmäßig und schön geformt; seine Augen, tief, düster, blitzen wie Fackeln in der Nacht; sein schmerzlich gezogener Mund ist geradezu zum Lächeln und Küssen eingerichtet. Le Clou wartet nur auf einen Gruß, um dem Spanier eine Grobheit durch „den Magen zu bohren“, wie die cavaliere Phrase damals lautete; aber Lascara sieht seinem Freund starr an, als wäre er ein Sandsteinpfeiler, und geht weiter. Indeß Le Clou zum Könige läuft, erreicht Lascara den Bischof.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)