Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/170

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der prachtvolle Schimmel, um seinen Herrn zu einer wahren Jagd, en Chevalier, zum Parforceritte zu tragen.

Le Clou, welcher mit argusähnlicher Aufmerksamkeit heute Alles, namentlich den König und seinen Freund Lascara beobachtete, hatte sein Roß augenblicklich in Galopp gesetzt, um dem Könige zu folgen; bald aber zeigte sich, daß der königliche Schimmel Schenkel von Damascenerstahl und statt des Blutes etwa Quecksilber in den Adern haben müsse. Le Clou ritt sein Pferd in Zeit von zehn Minuten fast in Grund und mußte es aufgeben, den Herrn einzuholen.

Es war übrigens noch ein Thier im Jagdzuge, welches den „Omar“ nicht nur nichts nachgab, sondern ihn ungeachtet seines zarten Baues noch übertraf. Das war der Andalusier des Spaniers. Lascara sah dieses Durchgehen des Béarners für eine Art Fingerzeig an, daß die Stunde für sein Werk, das hieß die letzte des Königs, geschlagen habe. Seitab stahl er sich, dann aber ließ er seinen Renner streichen. Er verleugnete nicht das edle, von den Rossen des Propheten und der Khalifen von Bagdad herstammende Blut. Nach einem Ritte von fünfundzwanzig Minuten sah er das milchweiße Roß Heinrichs wie einen Pfeil durch die Baumreihen schießen.

Lascara horchte. Fern ab zog sich die Jagd hin; die Hifthörner klangen gedämpft und verhallend; hier war er dem Hugenotten Mann gegen Mann gegenüber. Ein nochmaliger Entschluß, ein Stoßgebet zum Herzen der „Virgen santissima“ und zu allen Nothhelfern – dann brach Lascara aus der Dickung hervor, die ihn bis jetzt dem König verbarg.

Heinrich befand sich auf einer Waldlichtung, einem weiten grünen Plane, vor ihm lag das Thier, von der Rüdenschaar umgeben; er selbst richtete sich, hochaufathmend und nach dem Hifthorne greifend, in den Bügeln auf, um zu erspähen, welchen Weg die übrige Jagd genommen habe.

Lascara kannte jetzt keine Scheu, keine Scham, kein Zaudern mehr. Er trieb seinen Renner vorwärts und sprengte in gerader Richtung auf Heinrich zu, indeß er die Bedeckung von seinen Pistolen zurückschlug.

Ein Blick aber dieses Adlerauges des Navarresen, welches so viele Schlachten regirte, und seine Handlung, die bestmögliche in der entscheidenden Secunde, erfolgte mit diesem Blicke. Im Galopp, die Peitsche, wie in heller Lust, hochgeschwungen, sprengte der König dem Spanier entgegen und umritt ihn mit Blitzesschnelle.

Mordiour! rief er in seinem gascognischen Dialecte und knallte mit der Peitsche, daß das flüchtige Thier Lascara’s heftig aufprallte und sich hintenaufsetzte. Welch ein Roß, Chevalier! Ihr habt mir folgen können? Das Thier glänzt kaum, während meines vom Schweiß trieft. Herab, Chevalier, und ist’s nur Passade und Traverse, so muß ich – Ventre-saint-gris – auf der Stelle diesen Andalusier in der Schule bewundern.

Im Augenblick war Heinrich auf der Erde und stand neben dem Meuchler. Lascara war jetzt in seiner Gewalt, denn Heinrich hielt das Roß desselben am Zügel und hatte freundschaftlichst seine Hand auf die weiten Stiefeletten des Ritters gelegt. Lascara, durch diesen in fünf Secunden sich machenden Vorgang außer Fassung gebracht, betäubt, stieg ab. Heinrich nahm seinen Sitz ein, ließ das Pferd einigemal courbettiren, dann parirte er’s dicht vor dem Ritter.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)