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Die Eierprobe.
Von Gottfried Schalken.

Schon mehre Male traten wir in den heitern Kreis der Maler Hollands, von denen Gerard Dow den Mittelpunkt bildet. Wir kennen den Meister selbst, seinen wilden und genialen Mieris und den stillen und feinen, durchbildeten Metzu. Der dritte seiner besten Schüler ist nicht weniger bedeutend, als diese beiden; steht in der Art seiner Auffassung unabhängig von ihnen, die viele Aehnlichkeiten bieten, da, und übertrifft an effektreicher Darstellung und Beleuchtung diese Miniaturisten, die mit Aengstlichkeit die kühnere Pinselführung zu vermeiden strebten.

Es ist dieser dritte Gottfried Schalken, von Dortrecht, welchen Zusatz sein Name in der Regel führt. Wenn Mieris unter den Freunden das überkräftige Leben, den Humor und die Ausgelassenheit, Metzu dagegen die geistreiche Gemüthlichkeit vertrat: so paßte Schalken ganz vortrefflich, um dem Kleeblatte durch seinen melancholischen Ernst das Element zu geben, welches ihm noch fehlte, um ein Ganzes zu sein. Mieris konnte raisonniren, Metzu sich fein unterhalten und sprechen; Schalken verstand das Betrachten und Grübeln aus dem Grunde.

Der Letztere hatte indeß eine Eigenschaft, die, obwohl sie mit seinem ernsten Wesen, welches er gewöhnlich zeigte, im geradesten Widerspruche stand, gar nicht selten, obgleich lange nicht so oft hervorbrach, wie es etwa Mieris wünschte. Schalken hatte die herrlichste Anlage, die komischsten Vorfälle anzuzetteln. Er lachte selten, war aber im Stande mit einer wahren Leichenbitter-Miene so lange die witzigsten, possenhaftesten Sachen von der Welt vorzubringen, bis seine Freunde ihn unter dem unauslöschlichsten Gelächter um Schonung ihres Zwerchfells und um die Gnade baten, sich wieder in menschenfeindlichen Betrachtungen zu ergehen.

Mieris war die Seele der Gesellschaft. Aber wenn seine Hülfsquellen der Unterhaltung versiegt waren, dann konnte man drauf rechnen, daß Schalken sich in seiner Glorie erhob. Er machte Kartenkunststücke, in deren Geheimniß noch Niemand seiner Freunde hatte einzudringen vermocht. Schalken besaß eine ganze Reihe von Bildern, die er durch die einfachste Vorrichtung so zu beleuchten verstand, daß die frappantesten, grausigsten und lächerlichsten Scenen in Lebensgröße mit herrlichster Wahrheit sich frei im Zimmer schwebend darstellten. Metzu war namentlich ein Freund dieser in einem halbdunklen Gemache stattfindenden Unterhaltungen; er war es, welcher Gottfried Schalken am meisten quälte, wieder einmal zu „hexen“. Diese Bilder selbst hatten die Freunde noch nie gesehen. Mieris wollte endlich den gordischen Knoten mit dem Schwerte, oder vielmehr der Brechstange durchhauen: er sprengte einst in Abwesenheit des Dortrechters dessen Schlafkammer auf, wo sich die magischen Gemälde befanden, während ein halbes Dutzend Maler neugierig vor der Thür harrten. Als sie hervorgebracht wurden, diese Bilder, waren nichts als wüste Striche und bunte Kleckse zu sehen, aus denen selbst die Maler nichts als ein Chaos heraus zu finden vermochten, Zeichen genug, daß sie die Lichteffecte bei weitem nicht so genau kannten, als ihr schwermüthiger Freund.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/196&oldid=- (Version vom 1.8.2018)