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Als Schalken diese „Kirchenräuberei“ erfuhr, konnte er kaum abgehalten werden, mit Mieris den langen Stoßdegen zu kreuzen. Glücklicherweise ließ sich indeß der Dortrechter mit einem Eierpunsch, dessen Grundstoff echter Schiedamer war, sicher besänftigen; denn er gab, was die Liebe zum Becher betraf, dem Mynheer van Mieris, welcher in diesem Punkte groß war, wenig nach.

Die Punschbereitung, die Anfertigung des Ei-Schiedamers blieb stets Mieris überlassen. Bei einem solchen Anlasse war’s, daß Schalken eins seiner Kunststücke producirte. Die Gesellschaft war eines Abends beim Mieris in seinem Atelier versammelt. Die Freunde saßen um den Tisch und warfen ihre Geldstücke zusammen.

Dann schrie Franz: – Jantje!

Die Dienstmagd der Wirthin, der Liebling der Maler, erschien. Statt aber wie sonst selig zu lächeln, war das achtzehnjährige Mädchen heute wo möglich noch melancholischer als Schalken, welcher schon seit einer Viertelstunde unverwandt eine Laokoon-Statue auf einem Nebentische anstarrte, ohne ein Wort zu sprechen. Sogar die Rosenwangen Jantje’s schienen verblaßt; ihr krauses Haar hing unordentlich, aber noch immer schön um ihre Stirne.

– Was machst Du heut Abend für Gesichter, Mädchen? rief Mieris aufblickend. Ist Dir Dein Liebhaber etwa ungetreu geworden? Statt der Antwort machte das Mädchen Anstalt zu weinen. Jetzt standen die Maler auf und stellten sich um sie und bestürmten sie so lange, bis sie gestand: ihr Geliebter sei ein Fischer, der nothwendig ein Boot heirathen müsse.

– Ein Boot? riefen die Jünglinge.

– Ja, ein Mädchen, das ein Boot besitzt, sonst giebt’s der Vater Pieter’s nicht zu, und mein Freund muß eine Andere, Reiche freien. . . Und ich bin so arm . . .

– Ah bah! Heule nicht! sagte Schalken barsch. Hol’ die Eier für unsern Schiedamer und dann wollen wir gelegentlich ’mal weiter sehen.

Jantje nahm sehr bestürzt das Geld und ging. Als sie wieder erschien, hatte sie noch dieselbe schüchterne Miene; sie schien nur mit Gewalt ihre Thränen zurückzuhalten. Kaum wagte sie es, den geflochtenen Weidenkorb, fast schier mit den schneeweißesten Eiern gefüllt, den Jünglingen, von denen sie Trost in ihrem Schmerze erwartet haben mochte, auf den Tisch zu setzen.

– Die Eier sehen ja verdächtig aus! rief Schalken abermals und mit höchst finsterer Miene. Zeigt doch eben; wenn die nicht faul sind, so heiße ich nicht Gottfried.

Und er nahm ein Ei und warf’s ohne Umstände auf den Fußboden. Wortlos sah Jantje zu. Plötzlich aber stieß sie einen hellen Ausruf aus und bückte sich rasch, indeß sie die Hand ausstreckte und dennoch nicht wagte zuzugreifen. – Mitten in dem zerfließenden Dotter lag nämlich ein glänzendes Goldstück.

– Ei! sagte Schalken sehr ernst. Das ist zu seltsam, um das Ding nicht noch einmal zu versuchen. Geht das so fort, so werden die Goldstücke hierlandes sehr wohlfeil werden.

Und abermals zerwarf er ein Ei – wieder zeigte sich das Gold drin; noch eins – dasselbe Resultat.

Jetzt starrte Jantje die Freunde mit einem großen Blicke an, besann sich rasch und stürzte auf den Korb mit Eiern los, den sie fest an sich drückte.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/197&oldid=- (Version vom 1.8.2018)