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einundzwanzig Jahren. Dennoch war der früher so joviale Künstler tief melancholisch und im Herzen unglücklich. Auf ihn lastete das Mißgeschick, welches ein Sokrates, ein Albrecht Dürer und so viele andere große Männer tragen mußten. Melchior Hondekoeter besaß nämlich eine böse Frau, die mit raffinirter Kunst ihn seines Lebens überdrüssig machen zu wollen schien. Vergebens suchte Hondekoeter die Zerstreuungen, welche später in Ausschweifungen ausarteten, in denen er unterging. Der Gedanke an sein häusliches Elend verfolgte ihn unablässig und verbitterte ihm jede Stunde seines Lebens.

Melchior Hondekoeters einzige Freude war seine Menagerie. Er besaß nämlich eine ganze Sammlung von Pfauen, Hähnen, Hühnern, Gänsen, Enten und Tauben, die seltensten, schönsten Exemplare ihrer Art, welche ihm bei der Vogelmalerei als Modelle dienten.

In diesem Kreise der Malerei war und ist Hondekoeter wahrhaft einzig. Niemand hat so genau als er die Charakteristik des Federviehs studirt und kein Maler war glücklicher, dieselbe aufs frappanteste wiederzugeben. Noch mehr, seine Vögel wußte er, gleich als wären es Menschen auf einem historischen oder Genre-Bilde, in Situationen zu bringen, wo sie „Gemüthsbewegungen“, Zorn, Furcht, Haß, Muth, Liebe, Trauer u. s. w. zeigten. Diese Ausdrücke sind schlagend, ohne daß das Eigenthümliche, welches die Thiere in Natur besitzen, deswegen aufgeopfert oder verkürzt worden wäre.

Indeß Hondekoeter wegen seines ebenso eigenthümlichen als eminenten Talentes von aller Welt gerühmt wurde, machte ihm seine Frau die demüthigendsten Vorwürfe über die niedere Richtung seiner Kunst. Der arme Melchior sollte große Altarbilder, Kreuzigungen und Himmelfahrten malen, namentlich aber seine gefiederte Armee abschaffen.

Hondekoeter, ein zartgebauter, sanftmüthiger Mensch, mit blauen Augen und blonden Locken, seufzte, malte seine Hühnerhöfe und beschäftigte in den Musestunden sich damit, einem prächtigen Hahne von spanischer Abkunft zu der Menge der Kunststücke, welche derselbe bereits ausführen konnte, noch einige neue beizubringen. Fast hatte Hondekoeter selbst die Ueberzeugung, daß er sammt seiner ganzen Kunst ein „unnützer Knecht“ sei, denn die Leute wiederholten, was seine Frau Jedem sagte, der es hören wollte: die Leute, welche ihrem Manne die Bilder so theuer bezahlten, wären närrisch; denn für den fünften Theil dieses weggeworfenen Geldes könne man sich das allerschönste lebendige Federvieh kaufen.

Der Maler ward durch solche Urtheile förmlich niedergeschmettert. Eines Tages aber sollte ihm eine glänzende Revanche werden.

Die Thür seiner Wohnung öffnete sich und herein trat ein corpulenter Herr in englischem Costume, welcher sich als Master Thomas Watts ankündigte.

– Sie sind Mynheer Hondekoeter? fragte er, augenscheinlich entzückt, daß er den blassen Maler vor sich sah.

– Ja! flüsterte dieser leise, sich verstohlen nach seiner Tyrannin umsehend.

– Master Melchior Hondekoeter, es freut mich, Sie zu sehen. Ich bin expreß über den Canal gekommen, um dies Vergnügen zu haben. Sie sind der größte Maler der „Poultry“. Niemand stellt Hähne so gut dar, wie Sie. Das, Master Hondekoeter, sagt Ihnen ein Mann, dessen Lieblingsbeschäftigung die Trainage der Kämpfer für den Cockpit, den Hahnenkampf, Zeit seines Lebens gewesen ist. Ich stelle Sie hoch über Rembrandt, Rubens, Correggio,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)