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Angelo und Rafael und das, – Sir – dürfen sie annehmen, denn ich weiß was ich sage!

Hondekoeter stand auf und verbeugte sich zwar verlegen, aber im Innern entzückt. Also eine Anerkennung, eine begeisterte, leidenschaftliche. Melchior fühlte, daß er Künstler sei, obgleich er nur ein Blatt in dem reichen Album der Kunst zu füllen beschäftigt gewesen.

– Und jetzt malen Sie mir Hähne, aber Fechthähne! rief Sir Thomas Watts.

Der Maler gestand, daß er noch im Leben keinen dergleichen Hahn gesehen habe.

All one! sagte der Engländer. Ein Hahn, gleich Ihrem gewöhnlichen Prachthahne: – blitzendes Auge; schmaler, gekrümmter Schnabel; nicht zu viel Kamm – die Teufel mit dicken Kämmen haben keinen Muth –; breite Brust; sehnige Schenkel; lange Sporen; eine förmlich-renommistische Bewegung beim Gange – endlich Stahlsporen von feinster Qualität, gerade, nicht aufgebogen – der Hieb hat sonst keine Kraft –; abgeschnittene Flügel, damit der Kämpfer hauen kann, und gestutzte Schwanzfedern, der leichtern Rührigkeit wegen! – Ach, Sir! Dieser Hahn! Von Ihnen gemalt? Es wird nichts Aehnliches auf der Erde existiren.

Hondekoeter ließ das Haupt sinken. – Ach, Herr Thomas Watts, murmelte er, Sie verlangen ein verstümmeltes Thier; nie habe ich ein solches gemalt; nie werde ich’s malen können.

Jetzt begann eine lebhafte Verhandlung. Der Maler ließ sich nicht irren, selbst als der Engländer 200 Guinee’s für ein Hahnengefecht bot, noch mehr, als die reizende Katharine Hondekoeter mit Wuth im Blicke ihren Ehemann befehligte, den Auftrag zu dem Gemälde anzunehmen.

– Kommen Sie, Sir; kommen Sie, um mich zu verstehen! rief Hondekoeter entschlossener, als es seine Gewohnheit war. Und dann will ich sehen, ob Sie noch ein verstümmeltes Thier im Bilde zu besitzen wünschen.

– Ein verstümmeltes Thier? rief Watts. Ich wüßte Nichts, was vollkommener als ein Kampfhahn wäre. Die Natur ist in ihm zu ihrer höchstmöglichen Vollendung gebracht.

Hondekoeter zog den Kunstfreund in seinen Hühnerhof. Mit Recht erwartete er, daß Thomas Watts erstaunte. Eine solche Pracht in dieser Hinsicht war dem Insulaner noch nicht vorgekommen.

– Und ich sollte meine Lieblinge anders malen? rief Hondekoeter begeistert.

Yes! Seltsam in der That! Aber diese Thiere sind schön, sehr schön! Schöner fast, als Kampfhähne!

– Sehen Sie mein Hänschen! fuhr Melchior fort, einen prächtigen Hahn ergreifend und auf die Hand nehmend. Der Hahn ist wenigstens so klug, wie ich selbst bin . . . Keine Uebertreibung, Sir, versichere ich. Dieser Hans nimmt auf mein Commando jede ökonomische Stellung an verharrt regungslos in derselben, so lange ich will.

Impossible! Und darauf eine Wette wie hoch Sie wollen, Sir.

– Topp! Hans, mach Dich schön! rief der Maler, und der Hahn stand im stolzen Ausschreiten dar, gleich als wäre er aus Erz gegossen.

– Ah; ich werde Ihren Hahn aber scheu machen und erschrecken! rief Mr. Thomas Watts.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)