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– Thut nichts! Er rührt sich nicht. Etwa zehn Minuten betrachtete der Engländer dies Wunder der Zähmung. Dann sagte er:

– Zeichnen Sie mir diesen Hans und die zweihundert Guinee’s sind die Ihrigen. Dies ist neu und beispiellos.

In eben dem Augenblicke aber ward eine herrliche Gluckhenne unruhig, ein wälsches Huhn schrie jämmerlich, die Turteltauben auf dem Gesimse kreischten und „Hänschen“ erzitterte, obwohl er seine unbewegliche Stellung behauptete. Zugleich schoß ein Taubenfalke bis fast dicht vor die Füße der Männer, krallte zwei junge Hähnchen und bemächtigte sich des einen, indeß der Kamerad des Räubers auf eine in der Entfernung weidende Truppe von Küken niederstieß. „Hänschen“ sprang wüthend vorwärts, um den Blutdürstigen zu bekämpfen.

Hondekoeter lehnte sich auf seinen Sitz zurück. Er hatte nie geglaubt, daß sein Genre der Kunst einer solchen Dramatik fähig sei. Der Engländer war tief ergriffen. Als der Raubvogel sich nicht ohne seine Beute entfernt hatte, sagte Watts:

– Das war ein Gefecht! Könnt Ihr’s malen?

– Ja! Das wenigstens wird ein Gemälde! flüsterte Hondekoeter.

– Aber wie theuer? Ich denke 300 Guinee’s! rief der Engländer.

Und er zahlte das Geld sofort aus. Als der Künstler sein berühmtestes Stück geendigt hatte und nach London schrieb, war der reiche Garçon verstorben, und Hondekoeter, der Ehrliche, konnte weder das Gemälde, noch das empfangene Geld wieder an einen Eigenthümer anbringen. Das Bild ward nach Deutschland verkauft, wo es gegenwärtig eines der merkwürdigsten Stücke der Gallerie in Dresden ist.




Die Lautenspielerin.
Von Eglon van der Neer.[WS 1]

Seit 1691 theilte Maria Anna Luisa von Medici, die Tochter Cosmo’s III. von Florenz, mit Johann Wilhelm den kurfürstlichen Thron von der Pfalz-Neuburg. Kaum ein Jahr weilte die reizende Tochter Italiens in Düsseldorf und bereits erkannte man hier in lebhaftester Weise das Walten einer milden, freisinnigen, kunstliebenden Herrscherin.

So lange die erste Gemahlin des damaligen Prinzen Johann Wilhelm, Anna von Oesterreich, Kaiser Ferdinands III. Tochter, am Hofe ihren mächtigen Einfluß geltend machte und ihrem edlen Gemahle ihren düstern Katholicismus, ihre fast ascetische Strenge der Lebensordnung mitzutheilen wußte, lag es wie eine Art von Alp auf dem heitern Düsseldorf und den herrlichen pfälzischen Gauen am Rhein. Als aber Maria die Stelle der Verstorbenen einnahm, regte es sich aller Orten, wie der Hauch von einem milderen Himmel und einer lachenderen Sonne. Der Kurfürst liebte seine Gemahlin leidenschaftlich. Er, welcher Italien so genau kannte, ahnte nur zu wohl, was das Herz der Fürstin bewegte, wenn sie in unbewachten Augenblicken still,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lt. Inhaltsverzeichnis F. van Mieris.
Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)