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träumerisch, in sich gekehrt, da saß. Die „bella Italia“ stand vor ihren inneren Blicken. Rastlos begann darauf der Kurfürst, durch seine Schöpfungen zu versuchen, ob er die Geliebte das Heimathland und ihr classisches „Fiorenze“ , diese Vaterstadt der majestätischen und reizenden Kunstschönheit, vergessen machen könne. Auf Johann Wilhelms mächtigen Wink fing Düsseldorf an, sich gleich dem der dunklen Verpuppung entschlüpfenden Schmetterlinge zu verschönern. Die finstern Gassen der Altstadt verschwanden allmälig; luftige, freie, dem großartigen Rhein entsprechendere Straßen wurden geschaffen und in der entstehenden Neustadt reihte sich bald ein Palast an den andern. Maria lächelte wohl, wenn sie diese Thaten der Liebe musterte; aber noch immer war Düsseldorf, wie auch heute noch nicht, ein Florenz. Der Geist namentlich, welcher hier herrschte, war ein so dumpfer und starrer, daß er die Italienerin, welche gleich ihren Landsleuten die heitere Seite der Religion vorzugsweise auffaßte, erschreckte. Ein bleierner Druck des Clerus ruhte auf Düsseldorf und dem Lande. Längst hatten sich die Jesuiten angesiedelt und ihre herrliche Kirche, ihr mächtiges Collegium bezeugte die Macht, welche die „Schlangenklugen“ bereits errungen hatten. Johann Wilhelm war, ungeachtet er auf seine Selbstständigkeit, auf seinen festen Charakter im Stillen stolz war, bisher dennoch nicht mehr und nicht weniger, als das mit überlegener Kunst geleitete Werkzeug der Väter Jesu gewesen. Der geistliche Despotismus hatte sich Bahn gebrochen; ja weit auf weltliches Gebiet konnten die Jesuiten ihre Banner tragen, und was sie gewirkt, zeigten die aufs Neue zerworfenen Verhältnisse der Jülichschen Erbfolge zwischen Pfalz-Neuburg, Sachsen, Kur-Brandenburg und Salzburg, welche schon mehrfach ihrer Lösung nicht fern gewesen waren. 1666 waren die Wirren geschlichtet, so daß Sachsen vom Herzogthum Jülich den Titel, Pfalz-Neuburg den seit 1614 inne gehabten Besitz, Kur-Brandenburg Cleve, die Mark und Ravensberg erhalten hatte. Die Jesuiten aber hatten listig die weitere Erbfolge, die Verlassenschaftsangelegenheit im Falle des Aussterbens der pfalzneuburgischen Linie anzuregen und die ganzen alten Verhandlungen als vorgeblich unerledigt, in die Wirren wieder hereinzuziehen gewußt, um demzufolge Kur-Brandenburg nicht allein, wie bereits stillschweigend feststand, definitiv später auszuschließen, sondern ihm den Besitz der genannten Länderstrecken zu bestreiten, und diese, eine neue Domaine für die Jesuiten, dem protestantischen Brandenburger rechtlich abzusprechen und durch der katholischen Fürsten Vermittelung wieder abzujagen.

Johann Wilhelm war stolz. Mit seltenen Geistesgaben von der Natur begünstigt, glaubte er sich zu einer hervorragenderen Rolle in der Geschichte berufen, als er sie je hat verwirklichen können. Die Jesuiten faßten ihn daher mit ihren Projecten bei seiner unbeschützten Seite. Sie machten sich zu Lenkern der Cabinetsangelegenheiten und wußten für ihre Ordenszwecke nach Maßgabe, wie sie sich dem Fürsten immer unentbehrlicher zu machen wußten, auch umfassendere Vergünstigungen zu erlangen. Während die politischen Angelegenheiten einen sehr erfolglosen Gang gingen, hatten die Jesuiten für ihre Bemühungen täglich neue Vortheile auszuweisen. Sie blühten, während Johann Wilhelm zusehends finsterer wurde und sich aus Uebellaune zu einem gewaltsam auftretenden Wesen gegen seine Unterthanen hinreißen ließ, das von Ursprung nicht in ihm gelegen hatte.

Maria Anna von Medici bewirkte durch die Macht ihrer körperlichen und geistigen Reize sehr bald die erfreulichsten Umwandlungen im Gemüthe ihres Gemahls. Johann Wilhelm ward

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/238&oldid=- (Version vom 1.8.2018)