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heiter; statt düsterer Religiosität machte die lebensvolle Kunst ihre Herrschaft bei ihm geltend; er fing an, die Geistlichen auffallend zu vernachlässigen und dafür in glänzenden, sinnigen Hoffesten, sowie in seinen architektonischen Unternehmungen frischen Lebensmuth und gehaltvolle Lebenslust zu finden. Das weltliche, ritterliche Element waltete im Lande; die Unterthanen athmeten fröhlich auf, indeß die Vampyre, die jesuitische Bande, nachdenklich sich auf ihre Ordenshäuser zurückzogen. Wie Falken beobachteten sie diese unerwartete Richtung des Kurfürsten, um die Zeit zu ersehen, wenn sie wieder mit Erfolg einzutreten vermochten; wie blutdürstige Luchse bewachten sie die edle Italienerin, welche nicht ohne ihr Zuthun den Weg nach Düsseldorf gefunden hatte, diese Fürstin mit überlegenem Verstande, weichem Herzen und vollendeter, humaner Bildung, um bei ihr einen Flecken zu finden, dessen Herauskehrung ihren Einfluß auf Johann Wilhelm für immer zu vernichten vermöchte.

Von jetzt an begann, von den Jesuiten ausgehend, eine Reihe der verdecktesten, aber boshaftesten Machinationen gegen die junge Fürstin. Nicht umsonst aber war Marie von Toscana unter den listigsten Höflingen der Welt erwachsen. Ihr taubenfrommes Auge war tief, räthselhaft und ohne ihr herzliches Lächeln, welches ihre Seele zeigte, unergründlich. Sie hatte längst ihre Feinde errathen. Italien war von allen katholischen Ländern von jeher das am wenigsten katholische; dasjenige, wo der Papst und die römische Priesterherrlichkeit am wenigsten sich eines Nimbus rühmen konnten; wo man, ohne „ketzerisch“ zu sein, am genauesten von dem sehr bescheidenen Werthe der anmaßenden „Knechte Christi“ überzeugt war. Die Kurfürstin war ganze Italienerin. Sie hatte dies Pfaffenwesen am Rhein vom ersten Augenblicke ihrer Ankunft an ohne den geringsten Schleier gesehen und sich mit fester, bewußter Energie demselben entgegengestellt. Sie zog durch den Kurfürsten namentlich die Grenzen der Jesuiten täglich enger und trieb es, die Macht des Witzes nur zu genau kennend, so weit, daß in den geistreichen Abendunterhaltungen auf dem Schlosse inmitten einer zahlreichen, glänzenden, einflußreichen Gesellschaft von Edelleuten, Gelehrten und Künstlern sammt ihren Damen die famösen, bis dahin verpönten „Lettres provinziales“ von Pascal, dies auf die Jesuiten wie Rattengift wirkende Werk, vorgelesen und mit den heitersten Commentaren versehen wurden. Die Jesuiten wütheten deswegen gegen die Kurfürstin um so mehr, als Pater Balsamo Bondal – einige Zeit der Beichtvater des Kurfürsten – auf schlauen Anlaß der schönen Maria Anna Luisa selbst mehrere Abende vorgelesen hatte. – Widerlegt diesen Lästerer! hatte die Kurfürstin gesagt. Das heißt, wenn Ihr es mit Gründen vermögt. Wollt Ihr aber, wie Euer Orden, blos schmähen: so wollen wir selbst, als gute katholische Christen, versuchen, Euch, die Ihr Euch nicht vertheidigen könnt, zu rechtfertigen. So angegriffen, mußte Pater Balsamo, der Unfehlbare, Stand halten. Er verkündigte, bevor die Lecture begann, die durch ihn erfolgende Zermalmung des boshaften und witzigen Franzosen, erlitt aber, da der ganze Hof für Pascal gegen die Jesuiten Partei nahm, eine so schmähliche Niederlage, daß selbst die Kurfürstin, wie vielmehr Johann Wilhelm selbst, den Pater aufrichtig bedauerte. Der Krieg gegen die Italienerin und ihre weltmännischen, profan lebenden, italienischen Geistlichen war erklärt. Die Kurfürstin mußte fallen, todt oder lebendig. Vergebens aber suchten die Jesuiten lange Zeit eine Angel, um sich abermals des Kurfürsten zu bemächtigen. Endlich aber erschien sie doch.

Die Neustadt war anfangs auf alleinige Rechnung des Kurfürsten, welcher die errichteten

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/243&oldid=- (Version vom 1.8.2018)