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Gebäude sodann verkaufte, entstanden. Aber zu diesen, überdem zu bürgerlichem Betrieb wenig geeigneten, in einem damals noch öden Viertel der Stadt liegenden theuren Prachtbauten fanden sich die Käufer nur sehr spärlich. Der Bau gerieth in’s Stocken und Johann Wilhelm, der sich nahezu dadurch entehrt glaubte, ward finsterer als je. Vergebens hatte die Kurfürstin ihre überflüssigen Kostbarkeiten dargebracht; die gewonnenen Summen deckten noch lange nicht das ungeheure Deficit; vielweniger war an Fortbauen zu denken. Bald warf Johann Wilhelm seiner Gemahlin ohne Rückhalt vor, daß sie ihm die Väter Jesu verfeindet habe, ebendieselben, welche namentlich durch ihren – verbotenen – indischen Handel über so ungeheure Summen zu gebieten hatten und in solchen Angelegenheiten nie geizten, wie sie den Kurfürsten bedrängten. Das war der erste Schritt Johann Wilhelms, um mit seinen Freunden wieder anzuknüpfen. Die Jesuiten ließen sich jedoch nicht direct bewegen.

Bald jedoch nach der eingetretenen Geldnoth des Kurfürsten erschien ein italienischer Abbate, ein Toscaner von Geburt, um sich seiner erlauchten Landsmännin, der Kurfürstin, demüthig vorzustellen. Abbate Santi oder Fra Giuseppe war ein Benedictiner, welcher lange in Florenz, Rom und Paris lebte. Er empfahl sich der Italienerin durch sein ehrliches, offenes Wesen noch mehr, als durch seine genaueste Kenntniß der verstecktesten Angelegenheiten am Hofe von Cosmo Medici. Fra Giuseppe berichtete, daß er in Angelegenheiten des Trappistenordens reise, namentlich der Ueberbringer wichtiger Botschaften vom Trappistenkloster di Buona Solasso bei Florenz an dasjenige sei, welches damals in der unmittelbaren Nähe von Düsseldorf bestand.

Giuseppe erzählte höchst geistreich von diesem düstern Orden, welcher bereits nicht wenige Anfeindungen erfahren hatte. Maria hörte ihm mit großem Interesse zu, als er von einigen Mitgliedern von Buona Solasso sprach. Sie erzitterte aber, als dieser Geistliche ihr durch einen Namen eine Zeit heraufbeschwor, die sie längst vergessen zu haben wähnte, eine Zeit, welche urplötzlich mit aller Macht des Lebens aus der tiefsten Falte der Herzenserinnerung der Fürstin hervortrat.

– Es ist keine Caprice, Madame! sagte Fra Giuseppe. Es ist keine unnatürliche Erfindung, dies ewige Schweigen der Brüder von Latrappe! Menschen und Menschenherzen giebt es, Principessa, welche genug des Glückes, übergenug des gigantischen Unglückes des Herzens erduldeten, um ohne Zwang bis zum Tode stumm zu sein. Und geht mir dieser tragische Lebensnerv der Brüder von Latrappe auf, Altezza, so denke ich mit tiefster Wehmuth an den Bruder Gabriel, den schönsten und geistreichsten Mann Italiens, welcher aus der glänzendsten Region des Hoflebens freiwillig ohne Klage hinabstieg zu den düstern, nur durch das Memento mori! belebten Räumen der Trappisten von Buona Solasso.

In nachlässiger Stellung hatte die Kurfürstin den ausgezeichneten Redner bisher angehört, obwohl er sie, mehr durch seinen herrlichen Styl der Rede, als durch seinen Stoff interessirt hatte. Bei seiner letzten Wendung aber schien sie blitzähnlich berührt zu werden, während Fra Giuseppe seine sanfte, anscheinend durch nichts in der Welt zu erschütternde Ruhe behauptete.

– Gabriel! Gabriel! flüsterte sie, sich weit vorbeugend und Fra Giuseppe mit fast geistlos geöffneten Lippen, aber mit einem Funkeln der Augen anstarrend, das sicherlich, so lange sie in Düsseldorf war, noch Niemand an ihr bemerkt hatte.

– Gabriel! sagte Giuseppe eintönig. Oder richtiger, Nummer sechsunddreißig, welche

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/244&oldid=- (Version vom 1.8.2018)