Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/250

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hofe gewesen und Johann Wilhelm interessirte sich für ihn im höchsten Grade. Giuseppe sollte, wie ein geheim gesagtes Gerücht ging, zu den Nachkömmlingen der Guérinets, diesen phantastischen und gelehrten Geistersehern und Schwarzkünstlern gehören, die ihrerseits ihren Ursprung auf die Alambrados in Spanien, die Rosenkreuzer, die Templer, Aegypter und Magier, bis zu dem zweiten oder irdischen Hermes zurückführten; ein mystischer Orden, der zum Theil im 18. Jahrhundert in den Illuminaten wieder erstand. Fra Giuseppe war, obgleich Verbrüdeter der Trappisten, welche stumme Mitwisser so manches Geheimnisses waren, flüchtig und verfolgt. Die Jesuiten, die damals die Aufgeklärten, Vorurtheilsfreien spielten, hatten sich seiner als eines tiefsinnigen Naturforschers angenommen. Dieser geheime Stand der Dinge kam bald zur Oeffentlichkeit. Man reclamirte von Rom aus den Ketzer und Zauberer und Gottesleugner, genannt Abbate Santi oder Fra Giuseppe. Der Italiener rief den Kurfürsten um Beistand an, indeß das Jesuitencollegium Muth genug hatte, durch den General des Ordens zu Rom die Auslieferung Giuseppe’s geradezu zu verweigern.

Johann Wilhelm versprach dem Pater, ihn zu schützen, falls er offenes Geständniß ablege. Dies Geständniß ließ den Herrscher fast schwindeln. Giuseppe bekannte sich als einen der Guérinets. Er beichtete seine Eigenschaft, Geister und unkörperliche Wesen sehen und beherrschen zu können, seine Kunst, Gold zu machen und diejenige, durch Geister und Gestirne die Gedanken und Geheimnisse jedes Menschenherzens klar ergründen zu können, sofern er nur ein von der bestimmten Person, wenn auch mit gleichgiltigen Sachen, beschriebenes Blatt Papier besitze, um ihre Schriftzüge zu charakterisiren.

Dies letztere bot auf der Stelle einen sichern Haltepunkt. Der höchst betroffene Kurfürst griff sofort zur Seite, wo eine Menge Cabinetspapiere lag, und forderte dem Pater die Analyse des Charakters des Schreibers eines Blattes ab. Giuseppe studirte nur wenige Minuten; dann schilderte er den Verfasser, einen alten Canzleibeamten, so genau und richtig, daß Johann Wilhelm ihm erschüttert das Blatt aus der Hand nahm und ihn fortgehen hieß. Noch an demselben Abende aber ließ er ihn wiederrufen, und von hier an begannen die geheimnißvollen Unterhaltungen dieser beiden Männer, um unerhörte Resultate der Wissenschaften herbeizuführen. Fra Giuseppe machte vor den Augen Johann Wilhelms wirklich so viel Gold, daß dasselbe ausgeprägt über zwanzigtausend Gulden rheinisch betrug, was der Kurfürst an sich nahm, da der Geisterseher erklärte, er bedürfe im Augenblicke dergleichen nicht, könne sich ja auch immer selbst hinreichend versorgen. Der Einfluß, den Giuseppe erlangte, war so groß, daß der Kurfürst sich von ihm zum Neophyten annehmen und blind den Befehlen unterwerfen ließ, welche der Pater als zum Gelingen des Vorhabens nöthig, verhängte. Hierhin gehörte zum Beispiel die Forderung des Italieners, daß sich der Herrscher durchaus nicht mehr um kirchliche Angelegenheiten bekümmern dürfe, da die heilige Kirche, wie der Papst richtig erklärt habe, in natürlicher Feindschaft zu seiner Kunst stehe, die er übrigens als eine durchaus nicht sündliche oder gar dämonische zu rechtfertigen verstand. Johann Wilhelm zog die Wissenschaft des Guérinets den Gnadengaben der Kirche vor und übertrug dem Rector des Jesuitercollegiums vorläufig die näheren Anordnungen in Kirchensachen, um sich mit desto größerem Fleiße auf die Wissenschaft der Rectoren, der Verwandlungen im Feuer und der Beschwörungen zu werfen.

Maria, der er zum großen Theil seines Freundes Giuseppe fabelhafte Macht erzählte,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)