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aus ihrer Brust zu reißen. Maria war über ihre Pflicht keinen Augenblick im Zweifel, ebenso wenig darüber, ob sie dieser folgen wolle.

Die Kurfürstin begab sich zu ihrem Gemahl. Er war in seinem Laboratorium. Johann Wilhelm empfing seine Gemahlin mit auffallend übler Laune. Es war etwas Beengendes, Gezwungenes in seinem Wesen, das Maria noch nicht an ihm bemerkt zu haben meinte. Sie kam, um offenes Vertrauen auszutauschen, um ihr Herz vor dem Kurfürsten auszuschütten. Heute war sicherlich nicht die Zeit dazu und Maria beschloß, zu schweigen und erst dann zu reden, wenn sie den ihr bevorstehenden Kampf zu Ende geführt haben würde. Es fehlte nur wenig, und die Italienerin wäre den düstersten Intriguen zum Opfer gefallen.

Pater Giuseppe, welcher sich, wie bemerkt, bald des vollsten Vertrauens des Kurfürsten bemächtigt hatte, war Schritt für Schritt dazu gelangt, ihm gegen seine Gemahlin ein Mißtrauen einzuflößen, das seiner offenen Seele fern lag. Mit tiefster Erschütterung vernahm es Johann Wilhelm, daß Maria schon geliebt, bevor sie ihn gesehen, und als Santi von Gabriel Ricci’s Schicksal erzählte, da bat er: dasselbe möge der Kurfürstin ewig verborgen bleiben. Wer beschreibt jedoch die furchtbare Wirkung des Geständnisses, welches Giuseppe dem gehörig vorbereiteten Kurfürsten ablegte: Maria wisse, daß Gabriel in Buona Solasso eingetreten, noch mehr, sie liebe ihn heute noch mit der alten Glut und sie sei es gewesen, die durch ihre Bitten den Trappisten seinem Gelübde untreu gemacht und ihn bewogen habe, zu fliehen und in ihre unmittelbare Nähe zu kommen.

Johann Wilhelm hatte Gabriels Aufenthaltsort erfahren und Giuseppe mußte seine ganze Beredtsamkeit aufwenden, um den Herrscher davon abzuhalten, seine Rache, seine Eifersucht im Blute des jungen Italieners zu kühlen, dazu die Jesuiten für ihre, an demselben bewiesene Gastfreundschaft mit sofortiger Verbannung aus dem Kurfürstenthum zu bestrafen. Der Pater wies die Unschuld, die Unwissenheit der Väter Jesu unwidersprechlich nach und vermochte den Kurfürsten zu dem Versprechen: nicht eher gegen Gabriel, oder gegen seine Gemahlin etwas zu unternehmen, bis er Gewißheit über die Art des Verhältnisses erlangt habe, welches gegenwärtig unter diesen beiden, dem Verderben geweihten Personen bestehe.

An dem Abende, welcher auf diese Unterhaltung des Italieners mit dem Kurfürsten folgte, saßen die vornehmsten Mitglieder des Jesuitercollegiums ernst und leise flüsternd in ihrem Refectorio. Pater Giuseppe, heute in der Ordenstracht der ehrwürdigen Väter mit der Nachlässigkeit eines Herrschers den ersten Sitz über dem Pater Rector des Collegiums einnehmend, hatte die Erzählung über den erwarteten Erfolg der Intrigue mit mathematischer Genauigkeit auseinandergesetzt.

– Und ferner, hochwürdigster Pater General? wagte der Rector mit gedämpfter Stimme und ehrerbietigster Verbeugung den Pseudo-Abbate und Adepten zu fragen.

– Die Mediceerin wird diesen überspannten, schwärmerischen Burschen sehen; das ist gewiß. Nicht weniger sicher ist es, daß sie, wie einmal ihr Gemüthszustand beschaffen ist, sich von Gabriel zu ihren alten Empfindungen hinreißen lassen wird. Ihr Widerstand gegen diesen Zug ihres Herzens ist jetzt fast Null; hört sie Gabriel reden, so ist sie der wunderbaren Macht seiner phantasiereichen glühenden Worte gegenüber so ohnmächtig, wie es ein leidenschaftliches Weib ihrem Geliebten gegenüber nur immer sein kann.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)