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– Gut, Excellenza; Niemand geht zur Hölle, er habe es denn gewollt. Ich will Euch an dem Vergnügen nicht hindern. Ihr seht Zweifel in meine Aufrichtigkeit; wohlan, hier ist mein Arm . . . Gefällt es Euch, daß ich Euch meinem Oheim, Franzesco d’Alheiras und seiner schönen Tochter Estrella vorstelle? Macht mir aber später, wenn Ihr unglücklich sein werdet, keine Vorwürfe.

Rubens umarmte fast den Spanier aus Dankbarkeit.

– Ihr werdet diese ausgezeichnete Höflichkeit für einen so traurigen Dienst schon bereuen! murmelte Henarez und ging mit dem Niederländer, welcher sich in sein zierlichstes Costüm geworfen hatte.

Diese ganze Angelegenheit reizte den empfänglichen Künstler auf fast unbegreifliche Weise. Bis jetzt hatte der einnehmende, gewandte und dazu berühmte Jüngling, selbst an den glänzendsten Höfen Europa’s noch gar keine, oder nur eine maskirte Grausamkeit der edlen Damen zu beklagen gehabt, denen er sein Herz zu Füßen gelegt. Seine Erfolge waren so glänzende gewesen, daß er ernstlich den Gedanken hegte, die Macht seines Namens über ein liebendes Frauenherz sei hinreichend, um dies zu unbedingtem, sclavischem Gehorsam zu vermögen. Rubens konnte glauben, der Grundcharakter jedes Weibes sei widerstandlose Liebe und jede etwaige Färbung desselben sei nur Caprice und Absicht der Geliebten, um ihren Werth, ihren Reiz in verschiedener Beleuchtung darzustellen, um dadurch den begünstigten Mann desto fester an sich zu ketten. Rubens irrte sich, ungeachtet seiner glänzenden Erfahrungen, und seine ganze Kunst der Liebe und der Unterwerfung eines Weiberherzens scheiterte aufs vollständigste an der angeborenen Wildheit eines kleinen spanischen Mädchens, welches das Blut der Kinder der Wüste in sich trug.

Der Maler sah Estrella, und er hatte sich bei ihr nicht minder wie bei dem würdigen Vater des ausgezeichnetsten Empfanges zu erfreuen. Estrella war bei Weitem schöner, als das kundige Auge des Malers im flüchtigen Augenblicke bemerkt hatte. Eine solche Grazie, ein so nachlässiges, hingebendes Wesen, ein so räthselhaft Reizendes, wie es in diesen Augen brannte, hatte er noch nie sich eingebildet, viel weniger gesehen. Es war ersichtlich, das Mädchen wollte auf den berühmten Gast Eindruck machen, und sie erreichte ihre Absicht in solchem Maße, daß Rubens verwirrt, beinahe fassungslos ihre Zimmer verließ.

– Diese oder Keine wird auf ewig die Meinige! flüsterte er Henarez zu, als sie die Straße erreicht hatten.

Gratulor! sagte der Spanier lakonisch.

Von jetzt an zog’s den Maler täglich zu Sennor de Alheiras. Der biedere, tapfere Abkömmling einer vornehmen Moreskenfamilie Granada’s bemerkte die Leidenschaft des Fremden und fragte ihn eines Abends offen:

– Wollt Ihr, Caballero, Estrella heirathen?

Rubens bat um seinen väterlichen Segen.

– Ist nicht gut für Dich, mein junger Freund! Aber meinen Willen hast Du. Du erhältst eine kleine Pantherin zur Gemahlin.

Der Maler stutzte kaum. Noch hatte er in Estrella nur die makellose Göttin zu erblicken vermocht. Nach und nach aber lüftete sie die täuschende Maske. Rubens machte in rascher Folge die betrübendsten Entdeckungen. Dies sechzehnjährige Mädchen, die einzige Tochter des

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/338&oldid=- (Version vom 1.8.2018)