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schmales, vollkommenes Oval bildenden Gesichts preisgebend. Der schützenden Oberhülle ledig, war ihr Unterkleid, dem heißen Klima angemessen, dünn, luftig; kaum deckte es den bescheidenen jungfräulichen Busen und die schmalen gewölbten Schultern; indeß es sich um die Hüften und Schenkel, vom Sturme getrieben, in schmalen Falten so fest anlegte, um keine Wellenlinie dieser edlen Gestalt dem Auge zu verbergen. Wir glauben, Rubens küßte dies Bild so lange, bis seine Sehnsucht nach diesem Mädchen, dessen Anblick ihn am Abend entzückte, spät nach Mitternacht in das Reich der Träume überging.

Am andern Morgen trat einer seiner jungen algeziresischen Freunde bei ihm ein und fand den Meister, sein Bild vor sich, mit der Stirn auf dem Tische ruhend, entschlafen. Henarez de Calhavado betrachtete mit ziemlicher Ueberraschung die Skizze und brach dann in einen so lebhaften Ruf der Bewunderung aus, daß der Niederländer erwachte, seinen schönen Zwickelbart strich und den Spanier erstaunt anblickte. Er griff unwillkürlich nach seinem Bilde.

– Santa-Trinidad! rief Henarez, Don Pedro wird doch so höflich sein, zu erlauben, daß Esteban Henarez de Calhavado seine leibliche Cousine, Sennora Estrella Mencia de Alheiras bewundert . . . ?

– Estrella Mencia . . . stammelte Rubens fast. Ihr kennt sie also, diese Göttin, Ihr wißt, wo sie verweilt . . . Ihr konntet so lange von dieser Perle spanischer Frauen schweigen, vor mir, einem Maler, schweigen, der auch Euch seinen Mißmuth vorseufzte, daß die Urbilder der Schönheit, wie sie in Eurer Brust leben, von dem spanischen Boden verschwunden sind? Warum, Caballero, diese Verstecktheit, welche mit Eurem Wesen so wenig stimmt? Oder – liebt Ihr gar selbst – – –

Henarez lachte ein wenig auf seine halb spöttische, halb graziöse Weise, dann wurde er aber ernst.

– Bei St. Jakob von Compostella! murmelte er. Wie mögt Ihr Deutschländer und Brabanter doch nur zu denken wagen, daß der Spanier der Mann sei, mit welchem seine Leidenschaften gleich einem wilden Roß durchgehen? Wo bleibt, Excellenza, Eure gepriesene Besonnenheit und alle verwandten Tugenden? – – Aber ich sehe, Don Pedro, Ihr habt keinen Beichtvater nöthig, Ihr wollt einen Verbündeten. Ich bin’s. Bemerkt aber wohl, edler Freund, was ich sage. Ihr habt Estrella gesehen, sie ist wirklich ihrem Aeußern nach eine Göttin; hat aber wenigstens eine Legion von Teufeln in der Brust und zwar keine blos neckischen, schalkhaften, wie etwa unsere Flußteufelchen des Ebro und Guadalquivir, sondern ächte, mit Hörnern und Affenschwänzen, wie auf dem Altarbilde in der Kathedrale . . .

Rubens machte eine entschiedene Bewegung der Ungeduld.

– Ach! sagte gelassen der Spanier, Ihr werdet schon an diese Schilderung erinnert werden, denke ich! Verliebt Euch nicht in Sennora Estrella, wenn sie Euch nicht zur Verzweiflung treiben und mit überlegter Grausamkeit zu Tode martern soll. Ich weiß; ich weiß und freue mich, daß dieser Wahnsinn, welcher mich umstrickte, der Ernüchterung gewichen ist.

– Ach, Henarez! rief Rubens ungläubig; Ihr seid verliebter als je! Ihr wollt mich zurückschrecken, indeß Ihr mir den fabelhaften Drachen schildert, welcher den geheimnißvollen, unermeßlichen Schatz bewahren soll. Ich schwöre Euch aber, wir sind zu gute Ritter, wir Männer vom Niederlande, um uns vor Gespenstern zu fürchten.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/337&oldid=- (Version vom 1.8.2018)