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des Zuges sich stellend, auf, um die Löwen aufzusuchen. Henarez und seine bärtigen Diener hatten sich mit Harnischen und Helmen geschützt, de Alheiras konnte in der Hitze nicht unter dem Metall ausdauern und blieb in seinen Kleidern, wie auch Rubens selbst. Zabdally war in dem bekannten Costüm der Berbern mit dem weißen Turban. Am leichtesten war der Führer des Zuges, ein Christensclave, gekleidet. Dieser, das Eigenthum des Afrikaners, war fast ganz nackend, dazu zu Fuß; er hatte die schreckliche Rolle, den Angriff der Bestien, welche stets zuerst den Nackten packen, auf sich zu lenken und den Reitern dadurch Gelegenheit zu geben, ihre Waffen zu gebrauchen.

Mit eigenthümlicher Empfindung sah Rubens dies Vorspiel an. Der Niederländer war nicht feige; dennoch fühlte er, namentlich wenn er die schönen Glieder und das bleiche Gesicht des Sclaven betrachtete, eine starke innere Beklemmung. Henarez mit seinen blitzenden Augen, seiner Stumpfnase und seinen, der Hitze wegen, nackten Armen, war ganz Kampflust; sein Diener war ruhig; beide hielten sich, wie es Soldaten von der spanischen Armee zukam. De Alheiras war übrigens hier so wenig wie Zabdally ein Neuling. Er ritt sehr ruhig, obgleich trübe gestimmt, seine Lanze auf den rechten Fuß gesetzt, hinten im Zuge. So lange die Jagd noch nicht begonnen, dachte der Maler an Estrella, die Ursache derselben; nachher war für nichts als für den Kampf eine Idee übrig.

Dieser Kampf ließ nicht lange auf sich warten. Aus dem trockenen Ginstergebüsch der weiten, verbrannten Einöde erhob sich fast dicht vor den Jägern ein riesiger Panther, schaute die Cavalcade mit wüthendem Entsetzen an und suchte in ungeheuren Sätzen das Weite und die schützenden Sandhügel in der Ferne zu gewinnen. Die Reiter schnitten ihm jedoch augenblicklich den Weg ab; er wandte sich nach einer sanft aufsteigenden Felsenpartie. Henarez kam ihm jedoch so nahe, daß er ihm die Lanze durch den Bauch stieß. Sie brach und mit diesem Reste der Waffe taumelte das Thier heulend den Felsen zu. Die Jäger waren auf dem Halbkreise angekommen, welcher den Eingang zu der Schlucht bildete. Der Sclav stieß seine Lanze dem Panther nochmals durch den Hals. Bevor er sie jedoch zurückzog, stürzte es wie ein Berg auf ihn herab. Die Reiter sahen kaum, wie ein ungeheurer männlicher Löwe sich hinter einem Felsen hervorschwang und den Sclaven zu Boden schlug. Die Pferde prallten zurück; Zabdally ließ seinen Hengst ausschlagen und betäubt blickte der am Kopfe getroffene, die Tatze auf seinem Opfer haltende, Löwe um sich, um den Wurfspieß des Afrikaners im Nacken zu empfangen. Zugleich aber fanden sich die Jäger von einem anderen Löwenpaare umgeben. Der Löwe griff an, um der Löwin die Flucht zu decken, und seine Jungen, welche die Mutter fortschleppte, zu retten. Blind stürzte sich das Thier zwischen die Reiter und setzte auf das Roß de Alheiras. Diesen faßte es mit Rachen und Tatzen. Indeß aber der Löwe sammt seinem Opfer sank, hieb der Diener des Henarez der Bestie den gekrümmten Rücken mit einem einzigen Hiebe seines Berberschwerts durch, so daß das Ungeheuer, lebend zwar, aber schlaff wie ein Lappen, zusammenbrach. Rubens selbst sammt Henarez gaben dem ersten Löwen den Rest und befreiten den Unglücklichen aus seinen Klauen; de Alheiras, dessen Schulter und Brust zerrissen, dessen Schädel durch einen Schlag mit der Kralle zerschmettert war, verschied nach wenigen Minuten in den Armen des untröstlichen Rubens, inmitten der errungenen Trophäen. Niemand rührte die Thiere an, um sie abzustreifen und der Sennora Estrella ihren Fußteppich zu überbringen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/349&oldid=- (Version vom 1.8.2018)