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Holborn, war eine Art von Hauptquartier der Leute von Rang, Reichthum und Geist, eine Gesellschaft, der sogar die Repräsentanten des geistlichen Standes nicht fehlten; denn damals wohnte der Bischof von Chichester in seinem Palaste bei Lincolns Inn, dicht neben der Kaserne seiner Leibwache, dem Kloster der Blackfriars.

Der Graf Aremberg wohnte Ecke von Holborn und Chancery Lane und hier war’s, wo Anton van Dyck vorfuhr.

In diesem Palaste wars ungeachtet der Mitternacht heller Tag. Die Flügelthüren waren weit geöffnet, so daß der Lichterglanz weit über den freien Platz strahlte. Riesen gleich standen zwei westphälische Portiers, mit Goldtressen überladen, jeder eine moderne Art von silberner Herkuleskeule in der Hand, zu beiden Seiten des Portals und auf dem Flur, auf den mit Stein-Mosaik gezierten Treppen im Innern flogen englische und französische Diener und Dienerinnen.

Der Maler stieg aus und ließ sich die Palasttreppe von seinem Diener hinangeleiten. Auf dem Flur legte er seinen herrlichen flandrischen Spitzenkragen glatt, gab seinem schwarzsammetnen spanischen Mantel einen Faltenwurf, wie es nur ein Römer oder ein Maler versteht, und nahm den ungeheuren Federhut ab. Einen edleren, schöner geformten Kopf, als ihn der Maler zeigte, hatte sicherlich die hohe Gesellschaft oben nicht aufzuweisen. Reizender als van Dycks Haar in Wirklichkeit war, konnte nur er selbst es malen. Eine gewisse Abgespanntheit, welche auf des Malers Zügen lag, contrastirte eigenthümlich mit dem Feuer seiner großen Augen und mit dem kriegerischen Ausdruck, den sein brauner Schnurrbart und die große, spanische Imperiala am Kinn der Erscheinung verlieh.

Die Etikette, das ungeheuerlich Steife, womit damals der Mode nach Leute von Range sich umgaben, fand in diesem Palaste nur bis vor den Thüren des Allerheiligsten, des Gesellschaftszimmers Platz. Van Dyck überwand die Empfangscomplimente des Major Domus, die Anmeldungs- und Einladungsscene, welche er mit dem französischen Kammerdiener aufführen mußte, und ließ sich geduldig von den genannten beiden dienstfertigen Geistern an den linken und rechten Ellenbogen fassen und die Treppe, so zu sagen, hinanschieben. Die Thüren öffneten sich und van Dyck athmete auf und lächelte, als er den kleinen aber erlesenen Kreis überblickte. Hier hörte jeder Zwang auf! Etwa sechzehn Herren und Damen begrüßten den Maler mit jenem vertraulichen, graziösen Lächeln, das, in Frankreich erfunden, die Reise um die Welt gemacht hat, seit dem Ernste der ersten französischen Revolution aber von der Erde verschwunden, oder zur Grimasse geworden sein soll. Ueberall begegnete der schöne Mann, der jetzt in der kleidsamen Hoftracht, mit dem langen, schmalen Degen an der Seite, ohne Mantel eintrat, heitern und bewundernden, oder gar entzückten Blicken. Van Dyck grüßte die Gesellschaft mit derselben ceremonielosen verbindlichen Grazie, womit sie ihn empfangen hatte, und folgte dem kaum bemerkbaren Winke von einer der schönsten Hände im Saale. Lady Venetia Digby, ein wahrer Stern von Frauenschönheit am Hofe Karls I., dieselbe, deren Reize van Dyck durch eins seiner schönsten Portraits (in Windsor befindlich) verewigte, beschied den Maler als ihren Cavalier hinter ihren Sessel.

Die Gesellschaft spielte. Die Damen saßen um einen schmalen, langen Tisch. Die meisten Herren, außer dem die Bank haltenden Viscount Edgefield, einem geistreichen Podagristen, dem schönen Grafen von Aremberg und den beiden renommirten Witzbolden – den einzigen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/416&oldid=- (Version vom 1.8.2018)