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gegenwärtigen Geldarmen – Mr. Frederic Carew und Mr. Killigrew, hatten sich nicht gesetzt, sondern standen hinter oder neben den Stühlen der Ladies und pointirten von hier aus. Auch van Dyck, dessen Leidenschaftlichkeit blos aufgefordert zu werden brauchte, nahm die Karte.

Hier unter dem graziösesten, geistreichsten und halb frivolen Gedankenspiele, immer durch neue Einfälle und Bemerkungen wach erhalten, deren Charakteristik wir aus den modischen Schriften jener Tage nur unvollkommen kennen lernen können, machte sich das eigentliche Spiel in einer solchen Weise, daß ein jeder nicht mit fürstlichem Vermögen Gesegnete von diesem Tische ehrfurchts-, oder grauenvoll zurückgetreten wäre. Der Dichter Killigrew und sein Nachbar Carew spielten daher nur mit Worten, während Lord Edgefield auf einen Schlag Hunderte von Guinees gewann und verlor und dabei keine Silbe, als: ah! sagte. Dieser zeitweilige Ausruf bezog sich jedoch auf sein schmerzendes Bein und nicht auf sein Spiel.

Ungeachtet aller scheinbaren Abwesenheit von Leidenschaftlichkeit entwickelte sie sich dennoch und zwar bei dem Grafen Arundel und bei van Dyck. Durch ihre hohen Sätze brachten sie Leben in das Spiel; Gewinn und Verlust wurden bemerkbarer. Arundel verlor fünfhundert Guinees, die er nicht ausbezahlte; van Dyck gewann hundert und funfzig, welche ihm der alte Bankherr, der nie aufs Wort spielte, bis auf die letzte Guinee sofort zuschob.

Van Dyck bog sich über die Stuhllehne und die weiße Schulter von Lady Venetia, um seiner Beute sich zu bemächtigen.

– Halten Sie beide Hände hierher! rief Lady Digby, indeß sie mit blitzenden Augen sich nach dem Maler umschaute.

Van Dyck gehorchte. Er streckte seine Hände, fein und zart gleich denen einer Dame, über ihren rechten Arm und Lady Venetia füllte sie mit Goldstücken. In dem Augenblicke aber, als er dieselben über ihre Schulter zurückziehen wollte, erhob sich die Dame mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit zur Hälfte, um einige noch auf dem Tische liegende Goldstücke dem Maler ebenfalls zu übergeben.

Lady Venetia stieß an Van Dycks Hände und gleich einem goldenen Regen fielen die Guinees herab. Die wenigsten gelangten zur Erde. Es war ihnen bestimmt, kurze Zeit an einem der reizendsten Plätze in ganz Alt-England aufbewahrt zu werden. Schon damals trugen die Damen so tief ausgeschnittene Kleider, daß sie, wie ein ebenso zarter als witziger Deutscher sagte, wie Kleinodien aussahen, die etwas zu weit aus dem Futteral gezogen wurden. Jetzt liegen die Damenkleider fest an Schulter und Nacken; damals waren sie aber weit; der Busen war mit einem steifen, fächerartig sich ausbreitenden Mieder versehen, welches zwar bis zur Höhe des Halses emporstieg, dennoch aber, eben weil es oben weit vorwärts stand, ebensowenig wie ein pariser Ballkleid aus dem Jahre der zweiten französischen Republik irgend eine Schönheit versteckte.

Hinter dieses fächerartige Mieder, welches die Formen der Lady Venetia umschloß, nicht weniger zwischen ihren Nacken und die weiten Rückenfalten ihrer Seidenrobe, fielen van Dyck’s Goldstücke.

– Eine Danaë! bemerte Mr. Carew, als die reizende Dame, ziemlich bestürzt über die Kälte des goldenen Regens, sich erhob.

Der vom Glücke begünstigte van Dyck nahm die Entschuldigungen der Lady Digby mit

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/417&oldid=- (Version vom 1.8.2018)