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Fuß hohen, mauerähnlichen grünen Hecken durchkreuzt. Hier waren Sitze, Eremitenklausen, Miniatur-Schäfereien, auch einige Statuen, ein Teich mit einem kleinen Kriegsschiffe, und um die Wunder voll zu machen, so sangen Canarienvögel und Dompfäffchen, Staare, Amseln und Papageien in den vergoldeten Käfigen, die zwischen den Zweigen der Bäume aufgehangen waren. Die Eremitage war die zarte Maske für eine Niederlage des vortrefflichsten Bieres, welches ein als Türke gekleideter, alter Holländer für wenige Stüber ausschenkte; in der Schäferei konnten die Damen Milch und Thee und Kaffee von einer Schweizerin erhalten und das schöne Kriegsschiff war im Innern ein kleines Magazin, wo sich die Mynheers umsonst ihre thönernen „Pipje’s“ stopfen und anbrennen konnten. Kurz, es war dies hier wahrhaft der holländische Garten Eden, nach welchem man, namentlich von Leyden aus, wirkliche Wallfahrten anstellte.

Der Besitzer dieser Herrlichkeiten ließ sich sehr selten vor den Gästen sehen, die Sonntags sehr zahlreich zu kommen pflegten. Reginald tom Bosch war etwa dreißig Jahre alt, unverheirathet und lebte so eingezogen, daß er überall, wie wir schon sagten: „Der stille Edeljonker“ genannt wurde. Man erzählte sich von ihm allerlei Seltsamkeiten. Sicherlich waren die meisten dieser seltsamen Eigenheiten dem Schloßherrn angedichtet. Durch diesen Umstand jedoch wurde das Vergnügen der Gäste, welche sich von dem sonderbaren Edeljonker erzählten, durchaus nicht vermindert und das heiße Verlangen, ihn irgendwo im Garten schlau zu erwischen, oder ihn am Fenster im Schlosse zu sehen, um nichts herabgestimmt. Da indeß diese letzten Wünsche regelmäßig nicht in Erfüllung gingen: so setzten sich die Mynheers in die Eremitage, tranken Bier, sprachen von Tulpen und Canarienvögeln, von Statuen und Fontainen, von Constantinopel und der Türkei, bis sie am Ende den alten türkischen Mundschenken doppelt erblickten und ihre Gedanken rundum gehen fühlten, als wären dieselben in dem Irrgarten des stillen Junkers eingesperrt.

Was diesen betraf, so war so viel außer Zweifel, daß er vor etwa zehn Jahren sich heftig in eine junge Bäuerin verliebte. Seine alte Mutter hatte vergebens Alles versucht, um ihn von diesem Mädchen zu trennen. Statt der Antwort schwur Reginald, daß die schlanke Jantje-Doortje sicherlich seine Frau werden würde. Die alte Dame tom Bosch aber ward todtkrank und kurz vor ihrem Ende vermochte sie ihren Sohn zu dem feierlichen Versprechen, die verhaßte Doortje aufzugeben. Sobald Reginald sich von der Betäubung, in welche der Tod seiner Mutter ihn versetzte, erholt hatte, fiel ihm sein Versprechen mit drückender Schwere aufs Herz. Er wagte nicht, sein der Todten gegebenes Wort zu brechen, ward sehr tiefsinnig, ging zur See, fand, als er zurückkehrte, seine geliebte Doortje vor Gram ebenfalls gestorben und fing nun an, förmlich das Leben eines Einsiedlers zu führen. Einige Verwandte im Haag suchten ihn diesem Hinbrüten zu entreißen, indem sie ihn nach vieler Mühe bewogen, für die Regierung der Niederlande eine Reise nach dem Morgenlande zu machen. Reginald tom Bosch reiste wirklich mit seinem Diener, dem späteren Mundschenken in der Eremitage seines Parkes, ab nach Constantinopel und Ispahan, und kam erst nach acht Jahren wieder zurück. Er legte den Irrgarten, ein Bild seines Innern vielleicht, an, öffnete tom Bosch den frohen Gästen, war selbst aber einsilbiger und zurückgezogener als je. Namentlich durfte in seine Gemächer kein Frauenzimmer dringen und begegnete er einer seiner Dienerinnen, so konnte sie sicher sein, daß Reginald ihr finster den Befehl zuwinkte, sich zu entfernen, damit er seinen Weg fortsetzen konnte.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/436&oldid=- (Version vom 1.8.2018)