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Reginald war ein sehr hübscher Mann. Die Sonne des Morgenlandes hatte ihn dunkler gefärbt, als selbst die Matrosen in Rotterdam es waren; sein Haar war, ganz gegen die niederländische Mode damaliger Zeit, kurz vom Kopfe geschoren, dagegen hatte er einen vollen Bart, wie ihn sicherlich der Schah von Persien nicht schwärzer und länger besaß. Die Bauern hatten von diesem Barte Anlaß genommen, den Junker den „schwarzen Ruprecht“ zu taufen. Sein Diener, eben der alte „türkische“ Jan, halte sich veranlaßt gesehen, seinem Herrn diese Neuigkeit getreulich zu überbringen. Sonst hatte Reginald die über ihn umlaufenden Gerüchte mit unerschütterlicher Seelenruhe vernommen. Als ihm dieser neue Ehrentitel aber insinuirt wurde, stand er heftig auf, setzte seinen persischen Turban ab, ergriff seine seit lange in Ruhestand versetzt gewesene Karbatsche und prügelte den alten Türken-Jan erbarmungslos durch.

Sonderbarerweise hatten diese Karbatschenhiebe bei weitem auffallendere Folgen für den, der sie verabreichte, als für den, der sie empfangen hatte. War dem stillen Junker diese ungewöhnliche Bewegung in Hinsicht auf sein körperliches Befinden so ungemein heilsam gewesen, oder war er dadurch, daß er den Alten bearbeitete, seines Ingrimmes, den er so lange mit sich herum trug, ledig geworden, so daß er im Innern Luft bekommen hatte, oder hatte dieser Zorn, der Reginald ergriff, vermöge der bewirkten körperlichen und geistigen Erschütterung bei ihm eine Art von Krisis in seiner Gemüthsverstimmung vertreten – gleichviel: der Junker war seit dem Karbatschentage ein Anderer geworden.

Er ging in seinem Garten und Parke spazieren, statt sich zu verstecken, und zwar Sonntags, wenn die meisten Gäste anwesend waren, am liebsten. Er unterhielt sich zwar mit Niemand; doch grüßte er die Damen mit ritterlichem Anstande und großer Freundlichkeit, statt wie sonst finstere Grimassen zu machen. Seine halborientalische Tracht hatte er abgelegt. Die Fremden konnten ihn nur an seinem großen Barte und daran erkennen, daß er, wenn er in dem Irrgarten war, immer über die Beete von einem Wege zum andern sprang, was keiner der Gäste sich je erlaubt haben würde.

Diese Periode in dem Benehmen des Junkers tom Bosch war gewiß eine sehr liebenswürdige. Kaum aber hatte seine Dienerschaft sich zu dieser Veränderung Glück wünschen können, da trat ein neuer Umschwung bei ihm ein, unausstehlicher, als sein ganzes vorheriges Treiben. Er hatte an keinem Flecke Ruhe mehr, quälte seine Umgebung mit den widersprechendsten Befehlen, reiste häufig nach Leyden und kam jedesmal unglücklicher, als er gewesen war, wieder zurück. In gleicher Zeit fing Reginald an, türkische Verse zu machen; denn in den acht Jahren seiner Abwesenheit hatte er es ziemlich verlernt, sich im Holländischen mit Geläufigkeit auszudrücken. Der Türke Jan machte es ausfindig, was Mynheer Reginald fehlte: er hatte sich verliebt und zwar mit einer Heftigkeit, die in Anbetracht selbst seiner Liebe zu der schönen Jantje-Doortje unerhört war.

Unter den Damen, welche von Leyden kommend, sein Paradies zu besuchen kamen, hatte Mynheer Reginald eine gefunden, deren Schönheit ihm die so schwer wiedererlangte Besinnung fast vollständig geraubt hatte. Zweimal war diese Schöne in tom Bosch gewesen und jedes Mal hatte sie eine ehrwürdige alte Dame zur Begleiterin gehabt. Statt sich in die andere Gesellschaft zu mischen, hatten sich diese Unbekannten an eine heimliche Stelle des Parks gesetzt und

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/437&oldid=- (Version vom 1.8.2018)