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waren nicht müde geworden, einen dicht neben ihnen im Käfig hüpfenden Gimpel zu bewundern, welcher ungemein sanft die Melodie des lebensfrohen Freiheitsliedes: „Rasch siebenzehn Provinzen“ ohne Anstoß sang. Reginald hatte sich ihnen zu nähern gesucht; er wollte den Damen die ganze Vortrefflichkeit des kleinen Sängers anschaulich machen, um wenigstens ein Wort, ein Lächeln, einen Dank vielleicht von der Schönen zu ernten; noch mehr, er wollte ihnen seinen Liebling auf zarte Weise schenken – vergebens; er konnte nicht den Muth finden, hinter seiner Taxushecke hervorzutreten. Weinend fast sah er die Fremden sich erheben, durch den Irrgarten wandeln und im Schloßhofe ihr geschmackvoll gebautes und noch schöner bemaltes kleines Fuhrwerk besteigen. Augenblicklich ließ auch er sein Pferd satteln und, von dem Türken-Jan gefolgt, zog er fast gleichzeitig mit ihnen in Leyden ein. Gewiß hätte er die Wohnung seiner unbekannten Göttin erkundet, wenn ihn sein unglückliches Pferd, durch einen Trupp muthwilliger Studenten erschreckt, nicht am Thore höchst unsanft abgesetzt hätte. Mynheer Reginald sah sich genöthigt, sich in einen Wagen packen und sofort wieder nach seinem Schlosse zurück führen zu lassen. War sein Sturz wirklich so bedenklich gewesen, oder hatte sein Aerger über den Unfall die Folgen desselben verschlimmert, – genug, der Junker blieb für längere Zeit an sein Zimmer gefesselt.

Er sah sich also genöthigt, sich wegen der Auffindung seiner Herzenskönigin auf seine Abgesandten zu verlassen. Der Türken-Jan hatte durch zwei seiner Entdeckungsreisen, von denen er nichts als die langen Gastrechnungen aufzuweisen hatte, seine totale Unfähigkeit bewiesen. Der Alte war indeß nicht ganz so einfältig, um nicht periodisch einen oder den andern guten Gedanken zu haben. Eines schönen Morgens brachte er einen Mann in einer großen Blouse, mit einer Pelzmütze und nackten Knieen in das Zimmer des Verliebten und stellte ihn Reginald als Mynheer Matthies vor. Matthies war fast eben so alt, als der Türken-Jan; seine kluge Miene, durch sein weißes Haar und einen schönen Bart von derselben Farbe noch gehoben flößte dem Junker sogleich ein großes Vertrauen ein.

– Mynheer tom Bosch, sagte Jan, hier habe ich endlich den Mann, den Sie gebrauchen; Matthies kennt alle vornehmen Herren und Damen in ganz Leyden.

– Wie kommst denn Du zu solchen Bekanntschaften? fragte Reginald halb ungläubig, den Alten musternd.

– Mynheer; ich gehe jede Woche zwei Mal nach Leyden und sitze unter dem trockenen Baume dicht hinter dem Rathhause, wisset Ihr . . .

– Den Teufel weiß ich! rief der Junker.

– Und da kommen die schönen Frauen und Mädchen zu mir . . .

– Zu Dir?

– Ja, und holen mir meine Hasen und Rebhühner, meine Rehe und Schnepfen und Krammetsvögel und dann die lieben wilden Enten ab.

– Was bist Du denn?

– Ein Wildprethändler, Mynheer.

– Ah so; Du bist der Schurke, welcher den Wilddieben Alles abkauft, was sie in meinem Jagdrevier gestohlen haben! Aber gleichviel; machst Du mir die Dame ausfindig, die ich

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/438&oldid=- (Version vom 1.8.2018)