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meine, so will ich Dir auf ein ganzes Jahr und umsonst die Benutzung meiner großen und kleinen Jagd abtreten.

Matthies’ Augen fingen an zu leuchten.

Reginald fing jetzt an, dem Wildprethändler die Unbekannte zu beschreiben.

– Sie ist von mittlerer Größe und hat das zarteste Gesicht, welches ich je sah. Ihr Haar ist braun, die Augen blau, und wenn sie lächelt, was sie sehr oft thut, so, merke drauf, so glänzen die Augen auf eine unbeschreiblich anmuthige Weise . . . Verstehst Du mich?

– Ja so ziemlich; aber ich hörte lieber, wie sie angezogen ist, Mynheer; da hätte man etwas Untrüglicheres.

– Sie hat eine seidene Flügelhaube und eine Jacke mit weißem Pelz besetzt; warte einen Augenblick . . . und eine schwarze Tasche mit silbernem Schloß; auch eine Schürze von Nesseltuch . . .

Matthies fuhr sich höchst unbefriedigt mit der Hand durch sein dichtes Haar.

– Nun? fragte tom Bosch gespannt.

– Mein lieber Herr Junker . . . aber so sind die Damen fast Alle, Alle! erwiderte der Wildprethändler.

– Mynheer, wenn Ihr nicht böse werden wollt, sagte der Türken-Jan, so weiß ich noch ein gewisses Kennzeichen. Die Dame hatte einen weißen, schwarzgefleckten kleinen englischen Wachtelhund bei sich.

Matthies stieß einen freudigen Ausruf aus.

– Ist das der Hund, welcher die Leute beißt, derselbe, welcher mir immer meine Hühner und Enten im Korbe todt machen will? Doch das wißt Ihr ja nicht, Mynheer! Aber ohne mich zu rühmen, will ich fast behaupten, daß dann Eure Dame eine meiner besten Kunden ist.

Und nun fing Matthies seinerseits an, die Fremde zu beschreiben. Reginald erkannte die Geliebte in der Schilderung des Alten so sicher wieder, daß er befahl, sofort anzuspannen, um nach Leyden zu fahren. Matthies hatte die helle klare Stimme der Schönen gerühmt; er hatte darauf geschworen, daß die, welche er meinte, Ohrgehänge von großen glänzenden Perlen in der Form eines Kreuzes trage, und namentlich dieser letzte Umstand ließ Reginald nicht mehr zweifeln, daß er endlich am Ziele stehe.

Mit dieser Gewißheit schien ihn sein bisheriger Muth durchaus zu verlassen. Der Junker hielt mit den beiden Alten einen großen Rath, wie es am geeignetsten anzustellen sei, daß er sich dieser Dame nähere. Matthies ward dazu ausersehen, die Zusammenkunft des Junkers mit der Fremden einzuleiten. Reginald ließ vor allen Dingen seinen Dompfaffen, welcher von den „siebenzehn Provinzen“ sang, holen, den schönsten seiner Puterhähne auf dem Hofe einfangen und fügte noch einen allerliebsten goldweißen Hahn hinzu. Matthies nahm diese Thiere in Empfang, holte seine Körbe, nahm noch einen feisten Rammler und eine gerupfte Gans aus eignen Kräften zu sich und packte Alles auf den eleganten Wagen des Junkers. Matthies und der Türken-Jan setzten sich auf den Bock und der Junker kroch in den Kutschenkasten, mit großer Selbstverleugnung das Zwitschern des Dompfaffen und das scheue Geschrei des Hahnes anhörend und sich mit dem eigensinnigen, kollernden Puterhahn, welcher stete Angriffe auf ihn riskirte, abquälend. Schneller als diesmal war der Wildprethändler sicher nie

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/443&oldid=- (Version vom 1.8.2018)