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nach Leyden gekommen. Matthies nahm seinen Platz am Rathhause, unweit eines Kanals ein, Reginald drückte sich in eine Ecke hinter einen Vorsprung des dunklen Gemäuers. Der Wildprethändler war bald von einigen Gruppen von Frauen umgeben, welche entweder den Puter oder den Hahn und den Hasen, alle aber den Gimpel kaufen wollten, dessen Käfig an einem Zweige des verdorrten Baumes hinter dem Rathhausfenster aufgehangen war. Man wurde nicht müde, den singenden Vogel zu bewundern.

– Ist schon Alles verkauft! brummte Matthies höchst gleichmüthig auf die beträchtlichen Summen, welche ihm für seine Herrlichkeiten angeboten wurden. Sehr mißmuthig entfernten sich endlich die Käuferinnen.

Endlich kam über die Kanalbrücke eine jugendliche reizende Gestalt, von einem lautbellenden Hündchen begleitet.

– Mynheer! murmelte Matthies, sich rückwärts wendend.

– Sie ist’s! Sie ist’s! stöhnte Reginald und zitterte wie im Fieber.

Jetzt kam die Dame um die Ecke des Rathhauses und blieb verwundert vor dem Wildprethändler stehen, als das Dompfäffchen mit den zierlichen Verbeugungen, welche diese Thiere während des Singens zu machen pflegen, ihr seine Melodie entgegenschmetterte.

– Da seid Ihr, Myvrouw; rief Matthies freudig, indeß er den schreienden Hahn aus dem Korbe nahm und ihn der Schönen präsentirte. Dies Hänschen und mein Puter und der Gimpel? Wie? Heute werde ich wahrlich eine goldene Tasche lösen!

– O, sagte die Dame, an ihren schönen Fingern zählend, mit nachdenklicher Miene, das wird mir viel, viel zu theuer sein. Ich begreife Euch heute nicht. Dieser unvergleichliche Vogel – ist er nicht aus dem Bosch, aus dem Garten? Wie kommt er in Eure Hände? Und ich müßte mich sehr irren, wenn ich den Calecuter nicht auch auf dem Schloßhofe dort gesehen hätte.

– Ihr habt Recht, schöne Jungfrau. Aber laßt Euch sagen: ich bin blos hier, um Euch diese Thierchen anzubieten; handeln aber müßt Ihr mit dem da, mit dem Edeljunker tom Bosch selbst! He, Mynheer, wo seid Ihr denn?

Reginald hatte keine Wahl, so gern er sich in diesem Augenblicke in das innerste Kämmerlein seines Schlosses gewünscht hätte. Sehr ungraziös und verlegen stand er seiner Angebeteten gegenüber und bemühte sich, einen erträglichen Grund zu finden, um der Dame seine Geschenke anzubieten.

Eben jetzt kam ein schön gekleideter Mann über den Platz daher geschritten, das lange Haar im Winde wallend, den mächtigen Federhut weit aus der geistreich geformten Stirn gerückt. Er sah die Grupe vor sich mit breitem, offenem Lächeln an.

– Ach, Mynheer, sagte er zu Reginald, indeß er die Dame mit leichtem Kopfnicken grüßte, würdet Ihr hier wohl einen Augenblick zu mir treten, damit ich mein Bildchen, welches ich vorhin begann, vollenden kann. Ich bin der Maler Gabriel Metzu.

Reginald trat zur Seite und sah jetzt, daß der Maler ein Kärtchen und einen Bleistift in der Hand hielt und mit großer Schnelligkeit die Umrisse der Scene vollendete, wie Matthies der Dame den Hahn vorhält.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/444&oldid=- (Version vom 1.8.2018)