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die ganze Manier doch, sieht man mehre Stücke aus dieser Zeit neben einander, schwach und geistesleer.

Die dem Guido Reni angeborene Kraft, das großgehaltene Graziöse zu entwerfen, dauert bis in seine letzte, allerdings gegen seine erste Blüthe unbedeutende Periode. Aber die Idealität seiner Gestalten, ein bedeutungsreicher, nicht selten düsterer Ernst – an den Caravaggio erinnernd – welcher in seiner ersten und zweiten Künstlerphase so mächtig aus seinen Gemälden anspricht – er ist verschwunden.

Immer aber bleibt Reni’s Phantasie reich, seine Composition gedankenvoll, inhaltschwer, seine Zeichnung richtig, seine Gewandung von großartiger Anlage, seine Behandlung – alles Manierismus ungeachtet – sauber und delicat. Selten nur hat einer seiner Schüler an seine Oelgemälde die Hand angelegt, wie Manche, nicht vertraut mit seinem wechselnden Entwickelungsgange, haben behaupten wollen. Reni’s letzte Bilder, meist in dringendster Geldverlegenheit und zur Bezahlung seiner Spielschulden gearbeitet, sehen traurig aus neben Bildern seiner Glanzepoche, wie es unser Christus hier ist.

In Rom wie in Bologna besaß Reni immer viele Schüler. Seine Akademie in der letzten Stadt soll fast immer nicht weniger als zweihundert Schüler gezählt haben, die er die Elemente der Kunst in der strengen Weise der Caracci erlernen ließ. Sein Genie ging auf keinen seiner Schüler über, die sich meist an seine vorletzte Manier hielten und wirklich Manieristen und Epigonen wurden. Von den Schülern die Reni bildete, haben Gessi, (dessen Magdalena wir geben) Simone Contarini, Andrea Sirani und beziehungsweise dessen Tochter Elisabetta, Semenza, Domenico, Maria Canuti und Gignani den meisten Ruf erhalten. Eine weichliche, zierliche und unkräftige Weise der Malerei ist das Bezeichnende für fast sämmtliche Leistungen dieser Schüler.

Guido Reni starb 1642 in Bologna, wo er in der Kirche zu San Domenico begraben liegt.




Viehstück.
Von Adrian van der Velde.

Eine reizende Gewandtheit besitzt van der Velde, das Idyllische, die tiefste, glückliche Einsamkeit des Landlebens, wahr und ansprechend zu malen. Seine Hirtenstücke werden, was die Zwanglosigkeit ihrer Composition, das in ihnen ausgeprägte tief innere Genügen, ihre heitere, lebenvolle Ruhe betrifft, sicherlich unübertroffen bleiben. Meist ist die Landschaft selbst bei van der Velde nicht von überwiegender Bedeutung und seine Staffage erhebt sich nicht selten zum Genrebilde, dem indeß ein gewisses Zerstreutes, zufällig Zusammengebrachtes fast immer anklebt.

Van der Velde’s vorliegendes Bild ist, was die Kunst des Malers betrifft, Thiere darzustellen, gewiß von besonderer Bedeutung. Seine Auffassung des Charakters der Hausthiere ist

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/458&oldid=- (Version vom 1.8.2018)