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unterhalten, und sie verschwieg dies nicht. Der Marquis nahm ihren Arm und zeigte ihr seine reiche Bibliothek und eine vortreffliche Gemäldesammlung, meist aus Bildern von spanischen Malern bestehend. Diana staunte; denn obgleich Schloß Boprès nicht wenige Herren im Stahlkragen und Harnisch, mit unendlichen Pluderwämmsern und schweren Flambergen und Damen mit ellenbreiten Knippfraisen und thurmhohen Lockengebäuden im Bilde aufweisen konnte, so hatte das junge Mädchen dennoch nie eine Ahnung von dem Zauber gehabt, den ein in Farbengluth prangendes Meistergemälde auszuüben vermag. Völlig hingerissen aber ward Diana, als d’Albala ihr sein Gewächshaus öffnete und ihr eine tropische Natur mit aller ihrer geheimnißvollen Pracht in den damals noch sehr seltenen Pflanzen und Blumen erschloß. Blumen waren Dasjenige, was Diana über Alles liebte; ihr Entzücken war daher unbeschreiblich, als d’Albala von den schimmernsten Blüthen einen Strauß pflückte und ihr denselben überreichte.

– Wie glücklich sind Sie, Herr Marquis! rief Diana aus.

– Glücklich! erwiderte der Spanier, betroffen von dieser Aeußerung. Glauben Sie in der That, Donna Diana, daß Jemand in einem einsamen Leben, wie es das meinige ist, Glück finden kann?

– Herr Marquis, erwiderte Diana zögernd, auch ich bin auf Boprès sehr einsam, und wahrlich noch um Vieles mehr als Sie. Ich habe sehr oft fast entbehrt, und doch, denke ich, bin ich nicht unglücklich gewesen.

Albala lächelte fein.

– Wie alt sind Sie, wenn Sie entschuldigen? fragte er sanft.

– Ich werde zwanzig Jahr . . .

– Sehen Sie? Als wenn man sich mit zwanzig Jahren ennuyiren und abgrämen könnte. Aber werden Sie doppelt so alt auf Boprès, so werden Sie, reizendes Fräulein, sicherlich verstehen und zugeben, was ich sagte.

– Vierzig Jahre! flüsterte Diana für sich. Das ist ja gräßlich.

In diesem Augenblicke ahnte sie, was ihr denn eigentlich zu einem menschlichen Lebensglücke fehle; sie fühlte, daß sie ein Weib war, das Liebe geben und empfangen sollte, und mit fast abergläubigem Schrecken bebte sie vor der Perspective zurück, einst auch das zu werden, was ihre verstorbenen Tanten waren: alte, abgehärmte, lebenssatte Jungfern.

Albala geleitete die Edeldame eine gute Strecke Weges bis zu einer romantischen Stelle der Landschaft auf Diana’s Gebiete. Hier war leichtes Buschwerk; der Wald, zu welchem ein romantischer Hohlweg führte, war nahe, und über die Wipfel der Patriarchen der Eichen und Buchen erhoben sich stolz einige steil anlaufende Hügel, die ersten Vorposten einer sanft sich hinziehenden Bergkette.

Diana deutete auf eine Quelle dicht am Wege, deren Wasser klar wie Diamant blitzte und auf einen Sitz unter einem knorrigen Eibenbaume und sagte:

– Marquis, da sehen Sie meinen Lieblingsplatz, den ich sicher jeden Tag einmal besuche, Gestehen Sie, daß eine heiterere und reizendere Gegend zu denken unmöglich ist.

Albala blickte die Dame und dann die Landschaft träumerisch an. Er war seit längerer Weile sehr schweigsam geworden. Jetzt antwortete er gepreßt:

– Ihr Lieblingsplatz? Er möchte sich an dem wüstesten Orte der Welt befinden, so

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/513&oldid=- (Version vom 1.8.2018)