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geheime Angst . . . In drei Stunden habe ich Antwort; Sie sehen mich bald auf ewig zu Ihren Füßen, oder ich scheide von diesem Fleck Erde auf immer.

Juan d’Albala y Storda.“     

Der festlich geschmückte Page stand vor Diana, und sein helles Seidenkleid, seine schöne breite Schärpe contrastirte seltsam mit dem düstern, alten Zimmer, wo ihn Diana empfing. Fast befangen blickte das Kind an die Wände mit den Ledertapeten und den alten Bildern. Es schien für seinen Herrn nichts Gutes zu ahnen.

– Nein! sagte jetzt Diana fest und laut, aus ihrem Sinnen erwachend.

Diana vermochte kaum sich zu fassen. Sie hatte etwa eine Empfindung, als sei sie unbewußt an einen tiefen Abgrund getreten, dessen erstarrende Nähe sie erst jetzt entdeckte. Bei dem lebhaften Mädchen hatte sich der bisherige Freund im Nu in ein abschreckendes Wesen verwandelt.

– Was soll ich meinem Herrn, dem Marquis, antworten, gnädige Dame? fragte der Page sehr schüchtern.

– Antworte ihm, rief Diana mit funkelndem Blicke, daß Derjenige, welcher Freundschaft zu erbärmlich eigennützigen Zwecken misbrauchen kann, der tiefsten Verachtung würdig ist.

Der Page verbeugte sich tief und ging. Marquis d’Albala begegnete ihm fast dicht vor Schloß Boprès.

– Ihre Antwort? keuchte er.

Kaum konnte der Page durch Drohungen gezwungen werden, seinem Herrn die volle, vernichtende Antwort der Herrin von Boprès zu überbringen. D’Albala sagte gar nichts; aber ein Zorn bemeisterte sich seiner, eben so glühend als nachhaltig. Seine südliche Natur machte sich geltend und er gelobte im Herzen der Angebeteten volle Rache. Aber noch immer flammte seine Liebe mächtig empor und verwarf verzweifelnd alle Anschläge, welche die Rache zur tiefen Demüthigung Dianens beschlossen hatte.

Der Marquis entschloß sich kurz. Ich will mich rächen; aber die Liebe selbst soll meine Rache sein! flüsterte d’Albala sich zu und machte die umsichtigsten Anstalten zur Ausführung eines eben so schlauen, als unverantwortlichen Planes.

Der Edelmann verbarg sich längere Zeit, und in der ganzen Gegend ging das Gerücht, er sei nach Spanien abgereist. Diana athmete erleichtert auf, aber schon nach einigen Tagen ward ihr von Albala eine Ueberraschung bereitet, wie sie dieselbe nie geahnt haben mochte. Es war früh Morgens um drei Uhr, als unten im Schlosse Boprès die Jagdhunde anschlugen, so daß Diana aus tiefem Schlummer erwachte.

Fünf oder sechs vorsichtig verlarvte Männer traten gleich darauf in ihr Schlafzimmer und führten, ohne Klagen oder Widerreden gelten zu lassen, die kaum halb angekleidete Dame mit Gewalt zu einer im Schloßhofe stehenden, inwendig fest verwahrten Kutsche. Diana hörte Genéviève schreien, den Pierre im Stalle fluchen, er sei geknebelt, und die Jagdhunde wüthend bellen.

Soviel Diana bemerken konnte, verfolgten die bewaffneten Räuber den Weg nach dem Schlosse des Marquis. Die Gefangene gerieth fast außer sich vor bitterem Zorn, als sie jetzt,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/519&oldid=- (Version vom 1.8.2018)