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nachdem die erste Betäubung vorüber war, über den möglichen Urheber dieses Bubenstücks nachdachte. Das Fensterchen hinten in der Kutsche hatte man zu verwahren vergessen. Sie blickte hinaus und glaubte hinter ihrem Fuhrwerke den Marquis unter seiner dichten Verhüllung zu erkennen, wie er steif und unbeweglich im Sattel sitzend, als Arrièregarde dem Zuge nachzukommen suchte. Diana zerbrach das Fenster und rief mit durchdringender Stimme:

– Herr von Albala! Herr von Albala! Ich habe Sie erkannt! Versuchen Sie nicht, diesen Gaunerstreich weiter zu treiben.

Der muthmaßliche Marquis rührte sich nicht bei dem Anrufe; aber ein besonderes Leben zeigte er, als zwei Reiter, welche bisher der Kutsche vorangetrabt hatten, im Galopp zurückritten und ihm mit den Geberden des Schreckens etwas meldeten.

Diana lauschte athemlos, und es gelang ihr, ihre Thränen so weit zu unterdrücken, daß sie durch eine Ritze der Fensterblende an der Seite des Wagens gewahren konnte, was draußen vorging.

Der Weg kreuzte sich hier. Auf dem einen Seitenwege sprengten im kurzen Galopp vier Reiter daher. Der erste derselben war ein junger, schöner Cavalier, auf einem schäumenden Schweißfuchse. Den Hut weit aus der Stirn gesetzt, so daß seine langen Seitenlocken frei flogen, sang dieser Reiter ein spanisches Lied, das, uralt und hundert Mal umgeformt, noch heute seine Macht über die Herzen der Spanier nicht verloren hat. Es hieß etwa:

Serenos, alegres,
Valientes, osados
Cantemos, soldados
El himno á la lid!

De nuestros acentos
El orbe se admire,
Y en nosotros mire,
Los hijos del Cid!

Vor den Verlarvten machte der junge Soldat Halt. Er betrachtete diese sonderbar aussehende Escorte der dicht verwahrten Kutsche mit unverhehltem Erstaunen. Dann zog er seinen langen Stoßdegen von Toledo und kam mit seinen drei Gefährten dicht heran.

Mui Señor mio! rief er denjenigen an, den Diana für den Marquis d’Albala angesehen hatte, indeß er sich dann der französischen Sprache bediente. Mein Herr! Erlauben Sie mir die Frage, weswegen der Carneval hier zu Lande so ungewöhnlich zeitig einfällt?

– Wer sind Sie?

– Enriquez Sancho d’Albala! rief der junge Mann, ein Name, der sich sicherlich in dieser Gegend nicht ohne Ruhm hören lassen darf, denn mein Oheim trägt denselben. Was aber habt Ihr in Eurer Kutsche, Señores, die Ihr mir verzweifelt verdächtigt auszusehen die Ehre habt . . .

Der Angeredete antwortete nicht. Diana fing jetzt aus allen Kräften zu schreien an und der junge Cavalier kam dicht an die Kutsche.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/520&oldid=- (Version vom 1.8.2018)