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– Oeffnet dies Fuhrwerk, Banditen! rief er. Und als die Begleiter der Kutsche auf ihn mit gezogenem Degen eindrangen, faßte er sein Reiterpistol und feuerte.

– Dasmal war’s nur Dein Roß; die zweite Kugel erhältst Du selbst, Amigo! rief der Spanier.

– Folgt mir! rief der Reiter, welcher hinter der Kutsche gewesen war, nach diesem blutigen Vorspiele des Ernstes. Und er ritt im Galopp davon, von seinen Helfern begleitet.

Enriquez d’Albala befreite die Gefangene, und jetzt erst, nachdem er ihr Misgeschick erfahren hatte, bereute er es, selbst dem Kutscher die Flucht nicht verwehrt zu haben. Einer seiner Diener nahm die Zügel, während der Spanier die Erlaubniß erhielt, sich in das Fuhrwerk neben Diana zu setzen.

Anderthalb Stunden später, als sie ausgefahren war, kam Diana auf Boprès wieder an. Sie hatte auf dieser kurzen Tour nichts weiter verloren, als ihr Herz. Das Mädchen war untröstlich, als Enriquez Abschied nahm, um sich zu seinem Oheim zu begeben. Diana wagte es nicht, ihm zu entdecken, wen sie als den Anstifter dieses unerhörten Raubes insgeheim anklagte. Enriquez schied mit dem Versprechen, bald wiederzukehren.

An demselben Tage jedoch empfing Diana ein Billet von der Hand des Marquis von Albala, in welchem er schrieb:

– Geliebte Diana, die ich bald Tochter nennen werde!

Vergessen Sie und schweigen Sie; aber kommen Sie nach Ihrem Lieblingsplatze und ich werde suchen, Sie für die erlittene Unbill reichlich zu entschädigen. Enriquez ist mein Vertrauter; er weiß, was geschah. Er wird mit mir kommen. Glauben Sie, daß ein Spanier, der sich einen Augenblick von seiner Leidenschaft hinreißen lassen kann, ebenfalls edel genug denkt, um der Beleidigten volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

D’Albala.     

Diana schwankte. Aber der Kriegsrath auf Boprès, von Genéviève und Pierre gebildet, entschied. Diana schmückte sich, so schön sie es vermochte, und setzte sich zu Pferde. An ihrem Lieblingsplatze traf sie, als sie von Genéviève und Pierre geleitet ankam, den Marquis d’Albala mit einigem Gefolge. Bevor Diana noch angekommen war, mußte d’Albala’s Page schon den Versöhnungstrunk einschenken. Diana, eine neue Hinterlist fürchtend, bat sich Wasser, aber keinen Wein aus, und Genéviève bückte sich, um einen dargereichten Krug mit dem kristallenen Naß der geliebten Quelle anzufüllen. Pierre, das Gewehr schußgerecht quer über den Sattelknopf gelegt, war auf diesseit der Quelle, um mit seiner Kugel seine Herrin vor jedem unerwarteten Angriffe zu schützen. Es war der Marquis selbst, welcher graziös die Dame umschlang und sie nach der Quelle führte, indeß er auf einen im Gebüsche aufgestellten Satyr wies und sagte:

– Die beste Statue meines Gartens stehe hier als Zeichen meiner unsinnigen Anmaßung, um mich täglich an die Reue zu erinnern.

In diesem Augenblicke hallten im Hohlwege Hufschläge. Freudig erschreckt blickte sich Diana um. Enriquez d’Albala hielt dicht vor ihr und sprang vom Pferde. Der Marquis ergriff seines Neffen Hand und zog die widerstrebende Diana heran.

– Ein d’Albala sollte Sie besitzen! rief der Alte; durch einen sonderbaren Irrthum glaubte eben ich dieser d’Albala zu sein. Hier aber ist der Rechte . . . Haben Sie noch Einwendungen, Diana, wenn ich Ihnen in Ihrem Retter den Erben meiner ganzen Habe zuführe?

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/521&oldid=- (Version vom 1.8.2018)