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Diana schüttelte sanft das Haupt. Die Jagdhörner erklangen, und wie durch Zauber liefen im Wald versteckt gewesene Diener herbei, um Tafeln aufzustellen und mit Speisen und Wein zu belasten, indeß die Edelleute der Umgegend herbeitraten, um ihren Glückwunsch zu der Verlobung des herrlichen Paares darzubringen.




Ländliches Fest.
Von Antoine Watteau.

Die italienische Oper war zu Ende und von der Porte de Saint Martin in Paris bewegten sich ganze Züge von Sänften durch die benachbarten Straßen. Aus den dunklen Pforten des kleinen Gebäudes, das mehr einem großen Thespiskarren, als dem eleganten Palaste des jetzigen Theâtre des Italiens ähnlich war, schlüpften die letzten Nachzügler hervor, einzelne Gruppen von meist jungen, eleganten Modeherren, die sich auf dem kleinen Platze vor dem Theater aufstellten und sich über die wichtige Angelegenheit beriethen, wie die Nacht hinzubringen sei. Dann kamen, tief in ihre dunklen Mäntel gehüllt, flüsternde Damen und Herren mit Papierrollen in den Händen. Sie hatten des Lebens wechselvolles und buntes Spiel hinter sich, und ihre Lage bot mehr als eine Aehnlichkeit mit derjenigen der Schatten in der Unterwelt, denen der Tod nach dem letzten Acte den Vorhang zugezogen hatte – es waren die Schauspieler und Schauspielerinnen.

Man erkannte leicht den dicken Allessandro Farini, den liebenswürdigen Herrn, welcher mit seiner weichen Flötenstimme bis an’s hohe „E“ hinaufsäuseln konnte. Farini war in Constantinopel gewesen und hatte nicht allein vor dem Großherrn, sondern auch vor den Sultaninnen und Odalisken des Serails gesungen. Die schönsten Hände des Orients hatten den Sänger mit Kaffee und Scherbet bedient, und kein männliches Geschöpf des Erdballs, außer dem Sultan selbst, konnte sich rühmen wie Farini, daß die Favoritin des Allmächtigen ihm die lange Wasserpfeife angebrannt habe. Farini hatte, als immerwährende Erinnerung an diese constantinopolitanischen Triumphe, ein Costüm beibehalten, welches fast durchaus orientalisch war. Es fehlte höchstens der Turban, den er durch ein damals beliebtes, breites Baret ersetzte.

Unverkennbar war auch die Schönste der italienischen Künstlerinnen, welche ruhig neben Farini ging und seine Schmeicheleien, süß wie Maccaroni und Marzipan, mit eigensinnigem Schweigen anhörte. Es war dies Signora Maria Chiarini. Ihr Fuß war weltberühmt, man nannte ihn „den unsichtbaren“. Ein bekannter Witzbold, der, wo zwei oder drei Bühnenkünstler oder Künstlerinnen versammelt waren, sich regelmäßig mitten unter ihnen befand, der sogenannte Abbé Saint Foix, nannte die kleinen Füße der Chiarini nur „die abwesenden“, und behauptete in Anwesenheit der Signora Maria so maliciös: sie sei wie ein Paradiesvogel ganz fußlos, daß

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/522&oldid=- (Version vom 1.8.2018)