Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/527

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ihm die erbitterte Dame eine Ohrfeige gab. Diese Ohrfeige betrachteten die Schauspieler als eine neue Art von Ritterschlag, und nannten seit dem Augenblicke, als Maria’s Hand „leicht wie der Westwind“, aber kräftig gleich derjenigen des Vulcans, die Wange Saint Foix’ berührte, diesen nur dem Chevalier de Saint Foix. Der eitle Bonmotfabrikant und Spötter schien dem Himmel zu danken, auf eine so angenehme Art in den Adelstand erhoben zu sein, und unterzeichnete sich von da an nur mit Hinzufügung seiner neuen Würde. Signora Chiarini konnte ihn durchaus nicht leiden, obgleich er nie müde ward, in Gedichten, die zuweilen nicht schlecht waren, ihre herrliche Taille, die Grazie ihrer Bewegungen und die ausdrucksvolle Schönheit ihrer edlen Gesichtszüge zu preisen. Auch heute Abend lief Saint Foix neben der Sängerin und bot ihr vielleicht zum hundertsten Male den Arm, den sie durch eine stolze Bewegung des Kopfes ausschlug.

Saint Foix war klein, hager, mit struppigen, emporgesträubten, schwarzen Haaren und einem scharf markirten Gesichte, das sich durch buschige Augenbrauen, funkelnde kleine Augen und eine große Nase auszeichnete. Außerdem war er in den Schultern schief und bildete sich unendlich viel auf seine dünnen Beine und großen Füße ein, worüber er unbarmherzig spottete, wenn ihm sonst nichts Besseres für seine Laune in den Wurf kam.

Saint Foix war verheirathet und besaß eine ausgezeichnet schöne Frau, von der er feierlich behauptete, sie sei rasend in ihn verliebt. Er trieb, wenn sie gegenwärtig war, fortwährend Possen, weil sie, wie er sagte, sich nie besser amüsire, und hatte Madame de Saint Foix ihr Kind bei sich, so machte es der schwarze Kobold so arg mit seinen Sprüngen und Gesichterschneiden, daß nur sehr genaue Bekannte diesen entzückten Bajazzo um sich duldeten. Es war sehr merkwürdig, daß Madame Saint Foix alles Ernstes in diese scurrile Figur verliebt schien. Sie erschien nie anders öffentlich, als mit ihrem Gemahl, und das war sehr selten. Noch seltener sah man sie ohne ihr Kind, ein Mädchen von etwa fünf Jahren, welches von der Mutter die Schönheit, von dem Vater die unausstehlichste Lebhaftigkeit und Ausgelassenheit geerbt hatte. Der Ruf der jungen Frau war so ausgezeichnet, wie man ihn damals selten fand. Es schien, genauer betrachtet, jedoch nichts als incarnirter Stolz, daß Madame de Saint Foix unerbittlich alle Huldigungen zurückwies, die ihr von gewiß liebenswürdigen Männern zu Füßen gelegt wurden, und man prophezeite daher ihren Fall, sobald sich ihr ein Anbeter nahe, ausgezeichnet genug, um diesem Stolze schmeicheln zu können. Saint Foix jedoch hatte mit kaltem Blute seine Frau an den Hof gebracht und sie mit allem Verführerischen umgeben, so sicher war er ihrer.

Signora Chiarini bewahrte nicht minder eigensinnig ihren Ruf als unbezwingliche Schöne, und um so mehr, als man, aller ihrer Strenge gegen ihre Anbeter ungeachtet, behauptete, sie wisse dennoch mehr von Liebe, als in den an sie gerichteten Liebesbriefen zu lesen sei. Diese Tugendheldenschaft machte die Madame de Saint Foix und die Signora Chiarini zu Freundinnen, was jedoch durchaus nicht hinderte, daß Beide aufeinander wegen ihrer Schönheit maßlos eifersüchtig waren. Noch mehr, Jede suchte die Andere auf alle Weise in eine Liebesintrigue zu verwickeln, um den Ruhm der Unbesiegten nicht mehr mit ihr theilen zu müssen. Die Chiarini schickte die besten ihrer Anbeter zu Madame de Saint Foix, um dort ihr Glück zu versuchen, und diese machte es in Bezug auf ihre Nebenbuhlerin genau eben so. Doch ging Madame de Saint Foix bei dieser Gelegenheit aufrichtiger und consequenter zu Werke als die Italienerin; denn während diese sich nicht überwinden konnte, den schönsten der Cavaliere, welche ihr den Hof machten,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/527&oldid=- (Version vom 1.8.2018)