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den Marquis de la Boulaye, der Madame de Saint Foix zu überweisen, opferte diese letztere den ausgezeichnetsten und graziösesten ihrer Adonisse, den täglich berühmter werdenden Maler Antoine Watteau, ohne einen Seufzer auf und beschwor ihn, der Chiarini zu huldigen, indeß sie hinzufügte: sie wolle schwören, daß die Künstlerin in ihn sich auf’s Unbeschreiblichste verliebt habe.

Diese Menschen, welche wir soeben zeichneten, fanden sich vor dem italienischen Theater des Königs zusammen: Saint Foix und Farini, die Chiarini und ihre schöne Nebenbuhlerin, wie gewöhnlich ihr Kind neben sich. Man schien zuerst beabsichtigt zu haben, sich blos etwas umständlich gute Nacht zu wünschen; die Unterhaltung aber dehnte sich bereits über eine halbe Stunde lang aus, und Saint Foix war schon zum zwanzigsten Male aus die „unvergleichliche“ Idee gekommen, noch einige Freunde aufzugreifen, um bei irgend Jemand, welcher seine Zimmer dazu herzugeben gesonnen sei, eine Nacht Attika’s zu feiern, unter der Bedingung jedoch, daß das attische Salz die Gestalt von unverfälschtem Falernerwein annehme. Während dieser Debatten trat eine andere Dame zu der ziemlich bunten Gruppe.

Diese war prätenziöser gekleidet als Signora Chiarini oder Madame Saint Foix. Zwei Fackelträger gingen ihr zur Seite, und die Sänfte, welche sie soeben verließ, blitzte von ungeheurem, vergoldetem Schnitzwerk.

Saint Foix beeilte sich, der Frau „Marquise“ seine Huldigungen darzubringen, indeß Farini sich stolz von ihr abwandte, vermuthlich, weil sie dafür bekannt war, daß ihr nichts gleichgültiger war, als Huldigungen, wie sie der arme Sopransänger in seiner Gewalt hatte.

Es war damals, im Jahre 1708, die Zeit, wo man keine zehn Schritte in Paris machen konnte, ohne über einen Marquis oder Grafen zu stolpern. Der Marquisen und der Gräfinnen waren natürlich nicht wenigere vorhanden, und unter den männlichen wie den weiblichen mit Adelstiteln Geschmückten befand sich nur ein zu großer Theil von Menschen, deren ganze hochadelige Ahnenschaft etwa in einem Federhute und einem Degen, oder in einer ungeheuerlichen Hoffrisur, in Schuhen mit rothen Absätzen und einem Elfenbeinfächer bestand. Sie waren kaum auf eine so anständige Weise zu Adeligen gemacht, als der verwachsene Saint Foix.

In dieser Classe rangirte man die Marquise la Bresson, welche, gleich einer den Wolken entsteigenden Juno, die beiden Tugendheldinnen begrüßte. Es ging eine unverbürgte Sage, zufolge welcher Madame la Bresson an einem schönen Morgen mit einem bescheidenen Bündel unter dem schönen Arme zu Fuß in Paris eingerückt sein sollte. Dieser sagenhafte Bündel hatte ein altes grünes Seidenkleid, zwei alte Atlasschuhe, einen kleinen Spiegel, Pomade und Puder, einen Fächer, eine Schachtel mit Schönpflästerchen und ein Paar lange seidene Handschuhe mit vergoldeten Quasten enthalten. Hiermit bewaffnet, hatte sie dem Markte oder der Foire de la Porte de Saint Martin beigewohnt und glücklich die Bekanntschaft eines alten Herrn von Bresson gemacht, den sie bald so vollständig bezauberte, daß der Bonhomme sie in aller Form Rechtens heirathete, aller Wahrscheinlichkeit nach zu großem Schaden seines irdischen Lebens, das er, gequält und geängstigt, etwa fünf Monate nach seiner letzten glorreichen Dummheit verließ. Madame erbte zwar bedeutende Schulden, konnte aber als freie Marquise auftreten, und nahm ihre Maßregeln so diplomatisch, daß sie durch die Freigebigkeit ihrer Anbeter noch nie um eine Sänfte und um einige Bedienten, noch weniger um elegante Kleidung und Schmuck verlegen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/528&oldid=- (Version vom 1.8.2018)