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gewesen war. Diese Dame hatte Saint Foix die Jahrmarkts-Marquise getauft, und dieser Name war von ihr nicht wieder wegzuwischen.

Madame la Bresson fing, gleich einem Rattenfänger, alle Liebhaber weg, welche sich um Signora Chiarini sowohl, als um Madame Saint Foix bemühten, um sie bald darauf mit der naivsten Ungenirtheit gegen die neuen Ankömmlinge zu vertauschen, welche sich in den Schönheitsnetzen der Tugendhaften gefangen hatten. Signora Chiarini hatte Alles angewandt, um den Marquis de la Boulaye vor ihr zu bewahren. Dennoch hatte ihn die Jahrmarkts-Marquise erobert.

Saint Foix behauptete steif und fest, Madame la Bresson habe etwas Hyänenartiges, indeß sie die Todten verzehre, welche die Tugendheldinnen hinopferten. Die Marquise war gewiß, in der Nähe derselben immer Jemand zu erwischen, der seiner Rolle als seufzender Seladon bei der einen oder der andern der marmornes Schönen gründlich überdrüssig geworden war und Bedürfniß verspürte, sich dadurch, daß er Madame la Bresson anbetete, zu gleicher Zeit von seinen Liebesklagen zu erholen und sich an den Kaltsinnigen zu rächen.

Heute Nacht erbot sich Madame la Bresson mit der ihr eigenen Gefälligkeit, ihre Säle zu öffnen, um die Gesellschaft, welche sich immer mehr überzeugte, daß sie sich nun heute nicht trennen könne, aufzunehmen.

– Aber nothwendig müssen Sie, lieber Saint Foix, für Cavaliere sorgen! rief die Marquise. Ich werde noch einige Damen zu finden wissen und dann werden wir, gelingt mein Plan nur einigermaßen, uns morgen Abend um diese Zeit acht Stunden von Paris befinden, um . . . rathen Sie . . . was zu thun?

– Es ist doch dort nicht etwa Jahrmarkt? bemerkte Saint Foix mit großer Ruhe.

Der Castrat lachte sehr boshaft.

– Jahrmarkt? Pfui doch! Niemand denkt daran. Wir werden nach Les sept Fontaines reisen, dem reizendsten Dorfe in ganz Frankreich, parole d’honneur.

– Sept Fontaines? sagte die Chiarini, plötzlich sehr aufmerksam werdend. Das Dorf und das Schloß darin gehört ja dem Marquis la Boulaye, denke ich?

– Sehr richtig! erwiderte die Marquise mit einer Art Triumph. Da Sie dieses aber wissen, wird es Ihnen nicht schwer werden, Mademoiselle, das Uebrige des Geheimnisses zu errathen.

– Wirklich, nein, ich begreife Sie durchaus nicht, Frau Marquise! stammelte die Italienerin.

– Ich desto besser! sprach Madame Saint Foix. Der Marquis la Boulaye beabsichtigt ohne Zweifel seiner Angebeteten seine Güter, sein Schloß zu zeigen . . .

– Welches er gesonnen ist, nicht mit ihr zu theilen! schloß Saint Foix. Ich kenne diesen Theodor; er ist in gewissen Punkten ein höchst unzuverlässiger Taugenichts. Ich warne Sie also, Madame la Marquise.

– Und Sie, bester Herr de Saint Foix, erwiderte die Marquise, sind in gewissen Punkten ein höchst boshafter Mensch, was ich Ihnen ebenfalls zur Warnung sage. Der Marquis wird mich, wie ich Ihnen hierdurch eröffne, morgen mit so vielem Eclat als möglich nach Sept Fontaines entführen . . .

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/533&oldid=- (Version vom 1.8.2018)