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– Was? riefen die Zuhörer wie auf’s Signal.

– Ja, entführen, sage ich, um sich mit mir sobald als möglich, ich hoffe morgen Abend, zu verheirathen . . .

– Unmöglich! rief die Signora Chiarini, indeß die Madame Saint Foix, sich ungeheuer ärgernd, stillschwieg.

– Nein, erlauben Sie! sagte Saint Foix, im höchsten Grade bei der Aussicht auf einen öffentlichen Scandal entzückt; erlauben Sie, auf das Entführen zurückzukommen. Wer wird entführt werden?

– Pardieu! das ist denn doch eine ungewöhnliche Beschränktheit. Ich! Ich!

– Aber, Madame, es fehlen ja die allernothwendigsten Voraussetzungen, damit der Begriff einer Entführung nur halb herauskommt. Wem denn, entschuldigen Sie, will man Sie entführen? Ihren Kammerzofen, oder Ihren Bedienten, oder der Männerwelt von ganz Paris, oder blos einfach Ihrem Zimmer . . .

– Bah! Der Marquis entführt mich, um mich wider den Willen seiner Aeltern in der ländlichen Abgeschiedenheit seines Schlosses zu heirathen . . .

– Immer besser, Madame la Bresson! Sie also entführen den Marquis . . . Ah, ah . . . Ich dachte mir’s, und so allerdings gewinnt das Ding an Wahrscheinlichkeit und bon sens bedeutend. Aber gleichviel, geht die Reise nach Sept Fontaines, wofür ich zum voraus das wohlwollendste Vorurtheil habe, so betrachten Sie mich als den Ihrigen, Madame. Ich bevorworte jedoch ausdrücklich, daß Sie während dieses Feldzuges alle ersinnliche Mühe für Proviant aufwenden werden.

– Oh, keine Sorge! Aber werden wir wirklich heute Nacht vor dem Theâtre des Italiens residiren? Allons, wir werden einen Lohnkutscher aufsuchen und uns nach meinem Hôtel in Saint Germain begeben . . .

– Sehr wohl, Frau Marquise! sagte die Chiarini. In diesem Falle erbitte ich für mich Ihre Sänfte bis zum Quartier latin; denn ich bin gesonnen, heute Nacht in meiner Wohnung zu schlafen.

– Gern, gern, Signora, obwohl mir Ihr Entschluß leid thut. Höchst wahrscheinlich werden wir heute Nacht ausgesuchte Herrengesellschaft haben . . . Der Graf Arnaud . . . der Maler Antoine Watteau . . . Pierre Mabonne vom Theatre français und seine Schwester Therese . . .

– Aber diese letztere bitte ich jedenfalls von der Liste der Cavaliere in Abzug zu bringen! bemerkte Saint Foix.

– Sie doch mit Ihren ewigen Bemerkungen! Kein Wort kann man reden, ohne daß Sie nicht Veranlassung nehmen, boshafte Correcturen anzubringen . . . Und dann mein Bräutigam Theodor Boulaye . . . Doch, entschuldigen Sie, Madamoiselle; ich vergaß, daß Sie gewiß am wenigsten dadurch bewogen werden, uns zu begleiten, wenn sie die Aussicht haben, von einem Kreise glänzender Schmetterlinge sich umschwärmen lassen zu können.

– Männlicher Schmetterlinge! berichtigte Saint Foix abermals.

Die Chiarini besann sich nur einige Secunden. La Boulaye würde in den Sälen der Marquise erscheinen, und sie konnte es nicht über sich gewinnen, den Ungetreuen noch ein Mal vor

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/534&oldid=- (Version vom 1.8.2018)