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– Saint Foix schlägt meine Einladung nicht aus, sagte Theodor, und daß daher auch Deine tugendhafte Göttin nicht fehlen wird, brauche ich nicht erst besonders zu versichern.

Watteau drückte seinem Freunde die Hand und Beide gingen nicht, sondern trabten dem Faubourg de Saint Germain zu.

In den Sälen der La Bresson war eine glänzende Gesellschaft versammelt. Hatten hier auch viele Herren und Damen, deren Ruf nicht der beste war, Zutritt, so war doch so viel gewiß, daß hier Niemand anwesend war, der sich nicht durch Geist, Talent oder Schönheit und gesellige Vorzüge ausgezeichnet hätte. Meist gehörten die Gäste den „freien Schichten“ der Gesellschaft an: es waren Schauspieler und Schauspielerinnen, Dichter, Gelehrte, Maler, Bildhauer und vornehme Abenteurer beider Geschlechter, doch aber auch hörte man hier Namen vom reinsten Klange und vom höchsten Adel Frankreichs.

Als die beiden neuen Gäste eintraten, erhob sich die Herrin des Hauses und flog auf Theodor de la Boulaye zu, welcher sich mit seinem süßesten Lächeln verbeugte und die etwas zu fleischige Hand derjenigen küßte, welche ihn Paris und allen seinen geheimen Anbeterinnen zu entführen im Begriffe stand. Eine dieser Anbeterinnen schien sich bis jetzt noch nicht in den Sieg der Marquise de la Foire gefunden zu haben. Das war Signora Maria Chiarini. Und gleich als hätten die Blicke derselben eine magische Anziehungskraft, so wandte sich das Auge Theodors de la Boulaye selbst dann noch nach ihrem blühenden edlen Antlitze, als seine Lippen sich auf die ausgepolsterte Rückenfläche der Hand der La Bresson hefteten. Watteau lächelte. Der Sittenmaler hatte einen seiner charakteristischen Züge der Natur abgelauscht, welche er mit so großer Virtuosität und Feinheit in seinen Gemälden wiederzugeben verstand.

Er selbst, Watteau, wagte es dagegen nicht, seine Geliebte, die Madame de Saint Foix, nur anzublicken, und unbeschreiblich war seine Verwirrung, als sein boshafter Freund, der Pavian, wie ihn die Freunde früher nannten, als Saint Foix selbst herbeieilte, den Maler eilig und dienstfertig an beide Arme faßte und ihn so gleich einem unglücklichen Kriegsgefangenen zu seiner reizenden Frau schleppte.

Die Madame de Saint Foix empfing den jungen Maler liebevoller als sie es je gethan hatte. Watteau verdiente gewiß die Aufmerksamkeit selbst der schönsten Frau im hohen Grade. Er war jung, schön gewachsen, mit glänzend schwarzem, kurzgeschornen Haare und geistreichen Mienen. Sein Blick, schüchtern und verschämt, gleich demjenigen eines jungen Mädchens, war fast unwiderstehlich, wenn er ihn bittend erhob. Und dieser junge Mensch war ein Berühmter, dem selbst die ausgezeichnetsten, eigensinnigsten Kunstkenner die glänzendste Laufbahn und einen Ruhm prophezeihten, wie ihn bisher in Frankreich kaum ein Lebrun genossen hatte. Es war geradezu unmöglich, daß eine Dame diesen so genialen, bescheidenen, schönen und – um den Reiz voll zu machen – schwermüthigen Maler mit kalter Grausamkeit behandelte. Madame de Saint Foix hatte dies bisher allerdings gethan, und nichts hatte vielleicht der Glorie ihrer Tugend mehr geschadet, als eben dieser Umstand; denn an ihm ließ sich fast unwiderleglich beweisen, daß die reizende Frau sich mit Gewalt zwinge, ihre Empfindungen zu unterdrücken aus der bizarren Ursache, weil sie den Ruf ihrer Unempfindlichkeit nicht einbüßen wollte.

Saint Foix war die Unverschämtheit selbst, kam aber heut Nacht sehr außer Fassung, als seine Gemahlin den Maler mit einem schwärmerischen Blicke ihrer blauen Augen empfing, ihm

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/541&oldid=- (Version vom 1.8.2018)