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die Hand reichte und ihm zuflüsterte: er möge ein Tabouret nehmen und sich zu ihren Füßen niedersetzen.

– Es ist endlich Zeit, Antoine, sagte die Saint Foix, daß ich Ihnen ein Geheimniß offenbare, was ich Ihnen aus Eigennutz nur zu lange verbarg.

Watteau verstummte; seine Aufregung machte ihm eine Antwort unmöglich. Saint Foix aber krähte:

– Du, Elise, Geheimnisse, von denen ich nichts weiß? Großer Gott! jetzt sehe ich’s ein, welches mein Schicksal sein wird – ich werde eben so gut in einen Rehbock, wo nicht gar in einen Hirsch verwandelt werden, als diese Andern, die wahnsinnig genug waren, in Paris sich zu verheirathen.

Madame de Saint Foix blickte den Buckeligen mit großer Misachtung an.

– Dein Bewußtsein sagt Dir, was Du verdienst! erwiderte sie. Das ist traurig genug.

– Ich habe gar kein Bewußtsein mehr, entgegnete Saint Foix, seit ich weiß, daß Du anfängst, zu intriguiren. Ich will wissen, was Ihr hier abzureden im Begriffe steht.

– Sehr gut, Monsieur! erwiderte die Frau. Dann wandte sie sich an Antoine Watteau und fuhr kaltblütig fort: Sprechen wir englisch, mein verehrter Freund, und überlassen wir es meinem Gemahle, hier in dieser Gesellschaft für sich einen Dolmetscher aufzusuchen.

Saint Foix wüthete, hatte aber so viele Contenance erlangt, daß er sich entfernen konnte, genau so, wie es die andern Ehemänner zu machen pflegten, die er immer so sehr bespöttelt hatte.

– Antoine! flüsterte die Dame dem Maler zu. Ich will Sie mit einem Male für lange Monate des Schmerzes und der Trauer entschädigen, und Sie für die Standhaftigkeit belohnen, womit Sie mir so lange im Stillen treu blieben.

– Ach, Madame, ich errathe es; jetzt erst wollen Sie mir den letzten Trost rauben und mein Herz brechen . . . stammelte Watteau, dem die tiefe, melancholische Bewegung der schönen Frau nicht entgangen war.

– Hören Sie mich an! sprach diese Letztere. Ich bin für Sie verloren; denn ich werde sammt meinem Kinde in ein Kloster gehen, um mich von einem ekelhaften, qualvollen Verhältnisse mit einem Schlage zu befreien. Ich hatte mein Gelübde dem Himmel bereits geschworen, bevor ich Sie zuerst erblickte. Empfangen Sie das Geständniß, daß Sie und nur Sie es waren, wodurch ich verhindert wurde, dies Gelübde zu erfüllen. Aber meine Verblendung, als könnte ich in der Welt Ruhe und Glück finden, nachdem ich einmal an diesen abscheulichen Possenreißer durch die Noth gekettet wurde, ist vorüber. Ich will keine Seligkeit durch ein Verbrechen erkaufen . . . Wir werden uns bald nicht mehr sehen und diese Trennung wird eine ewige sein . . . . Vorher aber empfangen Sie von mir den Wink, auf welchem Wege Sie sich über meinen Verlust trösten und Ihr Glück erbauen sollen . . . Maria Chiarini liebt Sie, Antoine . . . Ich hab’s heute Abend aus ihrem eigenen Munde gehört. Die La Bresson moquirte sich darüber, daß Theodor de la Boulaye der Chiarini entrissen sei, da bekannte das edle Mädchen offen, daß Sie ihr Alles wären, daß ihr Herz aber für la Boulaye nie geschlagen habe.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/542&oldid=- (Version vom 1.8.2018)