Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/548

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wollten Sie die schöne Braut an Ihrer Seite und nicht mich anreden . . . . . . Kommen Sie, Antoine; es ist längst zwei Uhr Morgens . . . Besorgen Sie mir eine Sänfte . . .

Der Maler schied mit der neuen Geliebten, die ihn unterwegs mit Vorwürfen über sein kindisches Benehmen überhäufte und ihn endlich an ihrer Thüre stehen ließ, ohne ihm nur gute Nacht zu wünschen. Antoine schlug sich vor die Stirn. Er war wüthend, außer sich; er begriff diese Italienerin nicht . . . Und dennoch! Er hatte nie im Leben eine Geliebte besessen. Ein ganz eigenthümliches Gefühl bemächtigte sich seiner. Dies von ganz Paris bezaubernd genanntes Mädchen war die Seinige. Ihre Hand hatte in der seinigen geruht, sie hatte ihm Liebe geschworen, und seine Bitte um einen Kuß war vielleicht doppelt und dreifach erhört. Maria hatte wirklich im Sturme sein Herz erobert, und noch waren keine drei Stunden vergangen, da war Monsieur Watteau so verliebt in seine neue Braut, daß er auf die Zeit, während welcher er die Saint Foix, das Eigenthum eines Andern, anbetete, als auf eine glücklich vorübergegangene Periode bemerkenswerthen Schwachsinns zurückblickte. Allem Anscheine nach war seine jetzige Herzensdame so wild und unbändig, daß dem sanftmüthigen Watteau das Herz ängstlich pochte, wenn er daran dachte, daß diese Tirannin bestimmt sei, seine Ehegenossin zu werden.

Früh am andern Morgen kam der Läufer des Marquis Boulaye und überbrachte dem Maler die Einladung nach dem Sept Fontaines. Sie war zugleich auf die Signora Chiarini gerichtet und ein besonderes Billet schärfte es dem Maler ein, keineswegs seine schöne Braut in Paris zurückzulassen. Watteau eilte so schnell als möglich zu seiner Tirannin.

Sie empfing ihn höchst übellaunig. Watteau konnte kaum an ihr reizendes Negligee, an ihre kleinen Pantoffeln denken. Nur mit Mühe vermochte er die Sängerin zu bewegen, ihm zu folgen. Er trieb im Quartier latin mit nicht geringer Mühe eine Sänfte auf, packte die eigensinnige Schöne hinein und lief zu Fuß nebenher, weil Signora Chiarini behauptete, dem Manne gebühre erst nach der Hochzeit eine Porte Chaise.

Als sie in der Straße anlangten, wo der Marquis de la Boulaye wohnte, konnten sie kaum vorwärts dringen. In langer Reihe waren vorsündfluthliche große Karossen aufgefahren, in denen die niedlichsten und kühnsten Gesichter sich bemerklich machten. Signora Maria stieg aus und hüllte sich fest in ihren Shawl. Ein finstereres Gesicht hatte sie noch nie gezeigt, als heute, zumal als sie gewahrte, daß Damen vom Theater français sie mit spöttischen Blicken betrachteten und höchst wahrscheinlich bonmots in Bezug auf die Bemühungen zum Besten gaben, die der Marquis la Boulaye so hartnäckig aufgewandt hatte, um die Chiarini zu gewinnen. Heute war Madame la Bresson die Königin des Festes, und zwar eines Festes, das zum glänzenden Finale eine Hochzeit aufweisen konnte. Die zahlreichen Diener kamen heran und legten die Kammern in Beschlag. Auch für sie war eine Kutsche vorhanden, und Theodor de la Boulaye flog herbei, um seinen Freund zu umarmen und der Chiarini eine Verbeugung zu machen, die sie fast mit Thränen in den Augen erwiderte.

– Antoine! sagte Boulaye; Du fährst unmittelbar hinter mir, denn mein einziger, obwohl menschenfeindlicher Freund wird mir heute zur Seite stehen . . .

Ernster war Theodor nie gewesen, als heute; so ernst und so trübsinnig, daß Watteau fragen mußte:

– Aber Theodor! Ist das die Miene eines glücklichen Bräutigams? Bist Du etwa

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/548&oldid=- (Version vom 1.8.2018)