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die Herzogin, hier beim zweiten Lever Eurer königlichen Majestät eine Probe ihrer heitern Kunstfertigkeit zu geben.

Der König sah den Grafen groß an, dann ward er sehr mürrisch und sagte mit schnarrender, lauter Stimme:

– Marquis Laurence – der dienstthuende Kammerherr – machen Sie den Damen, namentlich der Frau Herzogin von Maine, bemerklich, daß ich heute darauf verzichte, sie zu sehen.

St. Simon lächelte ironisch.

In diesem Augenblicke aber standen die Herzogin von Maine und die Gräfin von Noailles, zwischen sich die Spanierin an der Hand führend, bereits auf der Thürschwelle. Louise hörte die letzten Worte des Königs und war in Begriff, sich stolz zurückzuziehen.

Die Herzogin aber faßte ihren Schützling fester und drang, trotz aller Laurence’s, mit Donna Josita in das Audienzzimmer. Louise de Noailles konnte, wollte sie nicht feig erscheinen, nichts weiter, als der Prinzessin, welche ihr Condé’sches Blut in den Adern zu fühlen schien und sich dem Könige wie zu einem Angriffe näherte, folgen.

– Gerechtigkeit, Sire! rief die Herzogin mit ihrer bewunderten Aussprache. Gnade! Dies ist die gefangene Tochter des tapfern spanischen Generals Las Minas . . .

Der König stand von seinem Fauteuil auf, warf Messer und Gabel klirrend auf den silbernen Teller und betrachtete mit dem Ausdrucke unzugänglicher Majestät im Antlitze die kühne Herzogin vom Kopf bis zu dem Fuße.

– Genug, genug! unterbrach er sie entschieden und winkte ihr mit der Hand die Entlassung, ohne die arme Donna Josita auch nur anzusehen.

– So laß mich doch nicht allein, Louise! wandte sich die Herzogin sehr aufgebracht an die Freundin, welche sich im Hintergrunde hielt.

Die Gräfin stellte sich neben ihr auf.

– Ah, ich ahnte! sagte St. Simon sehr aufgeräumt; da ist eine zwar sehr alberne, doch höchst ergötzliche Scene fertig.

Die Herzogin von Maine riskirte, ohne St. Simon zu antworten, einen regelmäßigen Fußfall vor dem Könige; Donna Josita sank weinend neben ihrer Beschützerin nieder, und Louise de Noailles sah sich, edelmüthig genug, genöthigt, sich ebenfalls auf die Knie zu legen, damit die Dame von Maine später nicht allein das Gewicht dieser Scene zu tragen hatte. Louise kniete mit einem solchen Ernste nieder, daß die Anwesenden sich dadurch imponirt fühlten und ihren satirischen Mienen einen edleren, fast feierlichen Ausdruck gaben. Dennoch, betrachtete man die Herzogin in ihrer unordentlichen Kleidung, mit ihrer etwas in Verwirrung gekommenen Frisur und hauptsächlich mit den unglücklichen Troddeln, welche in einer Art convulsivischer Bewegung schienen, so wurde die ganze Scene unwiderstehlich komisch. Noch immer hielten sich die Hofleute. Aber als jetzt die knieende Herzogin gegen den auf’s Höchste durch diesen Knalleffect überraschten König rednerisch die Hand ausstreckte und, als sie unbewußt dazu den einen Fuß bewegte, ihren Schuh verlor, so daß sie erschrocken aufsprang und nach demselben suchte, da brach ringsum ein helles Gelächter aus. Das Spiel der Damen war um so mehr unwiederbringlich verloren, als die Herzogin, anstatt geistreich und den König verbindend, über den Auftritt zu scherzen, alle Fassung verlor und eine so aufgebrachte Miene annahm, wie sie dieselbe noch nie gezeigt hatte. Es blieb

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Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/641&oldid=- (Version vom 1.8.2018)