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– O ja, lieber Freund, erwiderte die Herzogin; denn ich setze voraus, Sie werden sich, dieser hilflosen Fremden zu Liebe, Ihrer unerträglichen Schwatzhaftigkeit wenigstens auf einige Zeit enthalten . . .

– Sicherlich, Madame, wenn Sie hinsichtlich Ihrer liebenswürdigen Extravaganzen dasselbe versprechen.

– So folgen Sie uns!

Die drei Menschen gingen, ihre kleine Spanierin wie im Triumphe zwischen sich führend, durch die Hofleute und zu den Gemächern der Herzogin, welche mit denen Louisens de Noailles auf demselben Corridor lagen. Josita begriff nicht, was sich aus den Stürmen dieses Morgens entwickeln werde.

Als man im Gesellschaftszimmer der Herzogin angekommen war, erschien Laurence und bat Josita, ihm zu folgen.

– Sie wollen die Dame verhaften, Unmensch! rief die Herzogin.

– Ich werde zuvor sehen, fügte die Gräfin hinzu, ob meine Tante hier nicht so viel gilt, um schreiende Ungerechtigkeiten verhüten zu können . . .

– Ereifern Sie sich nicht, sagte Laurence hämisch, mit einem Zettel spielend, der augenscheinlich seine Vollmacht enthielt. Ich habe Befehl, diese Donna zu beschränken, das heißt in ihrer Freiheit zu beschränken, und dieser Befehl wird ausgeführt werden. Das Fräulein wird von dieser Minute an Stubenarrest erhalten. Sie würde also ihre Zimmer auf diesem Corridor verlassen und mir nach dem „schwarzen Flügel“ folgen müssen.

– Nimmermehr! antwortete die Maine.

– Gut, der Hofmarschall ist der Meinung, daß Mademoiselle de Minas ganz nach Belieben in dieser Beziehung verfügen kann. Sie bleibt also in ihrer Nähe.

Josita ward von St. Simon und ihren Freundinnen nach ihren bisherigen beiden Zimmern begleitet, welche dicht an diejenigen der Herzogin stießen. Der Kammerherr konnte kaum eine boshafte Freude in seinen Mienen unterdrücken.

– Was lachen Sie denn, Herr! fuhr ihn der Herzog hochmüthig an.

Mille pardons, mein Herzog! Wenn ich Sie sehe, fallen mir nothwendig immer einige Ihrer ausgezeichneten Geschichten ein und da denke ich, ist’s eine Ehre für sie, wenn ich nach Herzenslust meine Lachmuskeln in Bewegung setze.

St. Simon sah den klapperdürren Kämmerling vernichtend an, aber es war gewiß, der „Lügenprophet“ war dasmal unerhört geschlagen. Alles, was er thun konnte, beschränkte sich darauf, die dürren Schenkel des Würdigen stechend zu betrachten und zu erwidern:

– Ihre Lachmuskeln? Als ob Sie überhaupt noch einen Muskel besäßen!

Josita ward in ihre Zimmer gesperrt. Dieser Gewalt gegenüber schien sie ihren ganzen Muth wieder zu finden; dann auch las sie in den Augen ihrer Beschützerinnen die Gewißheit, sie werde, da man sie durch den Arrest ihres gegebenen Wortes, nicht zu entfliehen, entbinde, weder lange in diesem Zimmer, noch in Versailles, noch in Frankreich überhaupt bleiben.

Laurence schloß hinter der Spanierin die Thüre, steckte den Schlüssel in die Tasche und empfahl sich mit unendlichen Bücklingen. Die Damen zogen sich mit St. Simon wieder in der Herzogin Zimmer zurück, um einen Kriegsplan zu berathen. Der Herzog von Maine erschien

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 630. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/647&oldid=- (Version vom 1.8.2018)