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jetzt ebenfalls, im tiefsten Negligée, eben glücklich durch eine Gewaltanstrengung dem Bette entronnen, wo er dem Schlafgotte wahrhaft übermäßige Opfer zu bringen pflegte.

Der Herzog von Maine hatte die ungemein lieblichen Züge der stolzen Montespan und schönes, halblanges, schwarzes Lockenhaar, das er, außer bei den feierlichsten Gelegenheiten, ohne Perrücke trug und nie puderte, da er behauptete, der Puder fiele ihm Nachts in die Augen und störe ihn im Schlafe. Seine fortwährende Schläfrigkeit abgerechnet, war der Herzog sehr liebenswürdig, sehr sanftmüthig und eben so sehr in seine kleine extravagante Herzogin verliebt, wie diese in ihn, was ihm bei Hofe als Dummheit und Trägheit und ihr als eine ihrer überspannten Marotten angerechnet wurde. Der Herzog pflegte sich sehr selten mit jemand Anderes als mit seiner Gemahlin zu unterhalten, da er aus Bequemlichkeit sich nicht die Mühe gab, beim Sprechen die Zähne von einander zu bringen, so daß er Jedem ziemlich unverständlich wurde, welcher nicht so einexercirt war, ihn zu verstehen, als die Herzogin. Daß diese mit einer so ungeheuren Schnelligkeit sprach, daß das Ohr ihren Worten kaum folgen konnte, denken wir, haben wir oben bei ihrem Bildniß zu bemerken vergessen.

Dieser Schläfrigkeit des vortrefflichen Herzogs war es zuzuschreiben, daß er von den Entführungsplänen der Anwesenden in Bezug auf Josita nichts wissen wollte. Plötzlich scheint er jedoch vollständig wach zu werden, läuft nach der Thüre und blickt auf den Corridor. Die Andern eilen ihm nach und machen einen Ausruf des Unwillens: ein riesenhafter Mousquetaire in voller Uniform marschirte als Wache vor der Thüre Josita’s auf und ab.

– Dieser schändliche Laurence! schrie der Herzog und machte augenblicklich Vorbereitungen, um sich zum Könige zu begeben und Genugthuung für die Schmach zu fordern, daß man in seiner Wohnung eine Schildwache aufzustellen wage.

Die Damen hielten ihn zurück. Jetzt aber widerstrebte der Herzog nicht länger, sich dem Complot anzuschließen, ja seine Erbitterung überstieg die Aufgebrachtheit seiner Verbündeten noch um Vieles.

– Ich werde diesen Coquin von einem Söldlinge eigenhändig niederstechen! rief Maine.

– Bestechen wir ihn vielmehr! entgegnete St. Simon, welcher ziemlich blaß geworden war.

– Nein, entschied die Gräfin, wir lassen den Hauptmann Donaldson, den schönen Schotten, kommen. Es bedarf nur eines Wortes, und er stellt uns hier einen Mousquetaire, der weder sehen noch hören kann.

– Sehr wohl, Cousine; aber ich versichere Sie, daß dieser schöne Schotte mir nicht in meine Behausung kommen soll, und daß ich meiner Frau verbiete, sich an der ganzen Geschichte nur mit einem Worte zu betheiligen, sobald dieser schottische Flegel nur noch einmal in dieser Beziehung erwähnt wird.

Diese Entscheidung gab der Herzog in großer Aufregung.

– Du bist eifersüchtig? rief die Herzogin, mit unverhehltem Entzücken auf ihren Gemahl zueilend und ihn sehr theatralisch, wir glauben aber dennoch, mit sehr herzlicher Empfindung in die Arme schließend. Wie glücklich bin ich doch!

Der Herzog brummte noch etwas zwischen den Zähnen, was selbst seine Gattin nicht verstand, ließ sich aber nach und nach wieder besänftigen und wurde heiter.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/648&oldid=- (Version vom 1.8.2018)