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dem Giuseppe del Salviati nicht abzusprechen, obgleich er, außer von den Kunstkennern, am heutigen Tage so ziemlich vergessen ist.




Sforza, Herzog von Mailand.
Von Leonardo da Vinci.

Mit einer bewundernden Ehrerbietung sprechen wir den Namen Leonardo da Vinci’s aus. Es ist einer der edelsten Geister aller Zeiten, welcher uns in ihm anspruchslos, ja kindlich bescheiden und dennoch in künstlerischer Beziehung in jeder Hinsicht unvergleichlich entgegentritt. Die ausgezeichnete Vielseitigkeit Leonardo’s ist allein fast ein Wunder. In seiner Jugend beschäftigten ihn Plastik, Malerei, Anatomie, Architectur, Geometrie, Mechanik, Poesie und Musik, und in keinem dieser vielen Fächer war der 1542 in dem Städtchen Vinci bei Florenz als der natürliche Sohn eines Notars geborne Jüngling nur oberflächlich ausgezeichnet, dieser Jüngling, welchem außerdem an körperlicher Schönheit, Gewandtheit und Stärke kaum Jemand sich vergleichen durfte.

Leonardo’s Lehrer hieß Andrea del Verrochio, aber er ließ diesen eben so strengen als mittelmäßigen Künstler in der fast überreichen Kraft seines Genies bald hinter sich zurück. Leonardo verdarb durch seine sich schon früh zeigende, außergewöhnliche Begabung zwei Werke seines Lehrers, die dieser geradezu für unerreichbar und unvergleichlich hielt: er meiselte einem taufenden Johannes einen so herrlichen ausgestreckten Arm, daß Verrochio die ganze Statue zerschlug. Ferner hatte der Lehrer eine Taufe Christi gemalt und der ausgelassene, jugendlich übermüthige Schüler nahm die Gelegenheit wahr, in dieses Bild noch einen Engel zu malen, dessen unerreichte himmlische Grazie den Verrochio bewog, nicht nur das Bild zu zerstören, sondern auch nie mehr Pinsel und Palette anzurühren.

Ein düsteres Geschick ruht auf den Arbeiten Leonardo da Vinci’s; die Mehrzahl seiner herrlichen Schöpfungen ging unter, und wir können nur nach den uns gebliebenen Resten und nach einzelnen ganz erhaltenen Stücken die Größe dieses durch und durch poetischen Künstlers einigermaßen abnehmen. Es war die Plastik, die den Leonardo zuerst fesselte, und hier schuf der, welcher stets die genialste Kraft mit der vollkommensten Anmuth vereinigte, zuerst allegorische Ungeheuer und die Züge der versteinernden Medusa. Diese, sowie seine frühesten Cartons, Poseidon, der Herrscher der Wellen im Sturm, und der Sündenfall Adam und Eva’s, sind verloren.

Bald drauf wußte da Vinci sich als Musiker und geistreicher Improvisator einen Namen zu erwerben. Lodovico Sforza, genannt il Moro, ward auf den begabten Künstler aufmerksam und berief ihn eben als Improvisator an den herzoglichen Hof von Mailand, entweder 1481 oder 1482. Es ist dieser Lodovico, zuweilen auch Lodovico Maria, genannte Fürst aus der Familie des kühnen Condottieri Muzio Attendolo’s, dessen von Leonardo gemaltes Bildniß wir hier sehen.

Wir wüßten für Abenteurer von Geist und Kraft kein verführerischeres Beispiel, als dasjenige der Familie Sforza. Ein Ambrosius Spinola, ein Christian von Halberstadt und der Graf

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 730. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/747&oldid=- (Version vom 1.8.2018)