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von Mansfeld sinken hier weit zurück. Der Graf Alberigo di Barbiano, der eigentliche Stifter des Condottierewesens, sagte selbst, daß er von seinem Schüler Attendolo, den er Sforza, das heißt den Kräftigen oder Bezwingenden taufte, weit übertroffen wurde. Und die Familie dieses geistvollen und tapfern Landmanns aus Cottignola in der Romagna, der dieser die Macht und den Zauber seines Namens hinterließ, so daß der Sohn Franzesco Sforza sich allen italienischen Staaten furchtbar machen konnte, bewahrte den unternehmenden Muth des Stifters so sehr, daß bald (1447) ein Sforza auf dem Throne der Visconti in Mailand saß. Franzesco’s Großsohn, Giovanni Galeazzo, war noch ein Knabe, als der unternehmende Lodovico il Moro Sforza ihn von der Herrschaft verdrängen und ihn durch Gift oder Erdrosselung aus dem Wege räumen ließ. Jedenfalls war’s Lodovico Sforza, welcher während seiner Regierung die merkwürdigsten Umschwünge der damaligen italienischen Staatengeschichte aufzuweisen hat. Auf seinen Betrieb kam Karl VIII. und fiel in Neapel ein und gründete eine französische Uebermacht bei dem Gange der Begebenheiten auf der italienischen Halbinsel. Lodovico Sforza ward gezwungen, dem italienischen Bunde gegen Frankreich beizutreten, unterlag aber, als Vormauer Italiens, zuerst dem Angriffe Ludwig XII. (1499), welcher ihn vertrieb. Die herbeieilenden Schweizer, von Lodovico gut bezahlt, verschafften ihm zwar wieder sein Herzogthum, aber als Ludwig von Frankreich dieselben besser bezahlte, blieb Lodovico Sforza abermals verlassen, später, und ward von einem Schweizer Officier verrathen, gefangen und nach Frankreich abgeführt, wo er in den Kerkern von Loches 1510 verschied.

Leonardo[WS 1] da Vinci konnte von einem Herrscher, wie derjenige war, den er so ausgezeichnet im Bildniß darstellte, wenig Unterstützung erwarten, und so finden wir ihn während der heftigsten politischen Wirren sehr bald nach seinem Einzuge in Mailand mit der Errichtung einer Kunstakademie im größten Style beschäftigt. Die Richtung seiner Schule stellte da Vinci in dem für seine Schüler sowohl, als seine Gegner geschriebenen „Trattato della pittura“ fest, eine Schrift, welche nicht minder schätzbar ist, als seine Gemälde, dennoch aber in ihrer erhabenen Einfachheit und Größe der künstlerischen Anschauung seinen Zeitgenossen, wie viel mehr seinen Schülern, ziemlich unverständlich geblieben sein muß.

Als sein nächstes Werk, welches großen Ruhm erwarb, muß das Modell einer Reiterstatue des Franzesco Sforza genannt werden, welches in unzähligen Versen von den Italienern als ein Wunder gepriesen wurde. Es hat sich von dieser Schöpfung nicht einmal eine Zeichnung erhalten. In die Zeit seiner Wirksamkeit in Mailand fällt außer diesem Portrait Lodovico Sforza’s die Ausführung mehrer Bildnisse, wie desjenigen, welches la belle ferronière genannt wird, eine Carità, die früher in Cassel sich befand u. s. w. Sein ausgezeichnetes Genie wandte sich auch auf praktische Unternehmungen, und der Künstler ward zum Wohlthäter, indeß er das Wasser der Adda nach Mailand leitete, und außer andern ähnlichen Werken den schiffbaren Kanal von Mortesano nach den chiavennesischen Thälern und dem Veltlin über zweihundert Miglien weit zog.

Weltberühmt aber ist eine seiner Mailänder Arbeiten, das Abendmahl, geworden, ein Bild, welches nie mehr seines Gleichen haben wird. Es war in dem Refectorio der Dominicaner der Santa Maria della Grazia al fresco gemalt. Es ist namentlich dadurch sehr beschädigt und unkenntlich geworden, daß französische Reiter das Refectorium zum Pferdestall machten und die Ausdünstung der Thiere verderblich einwirkte, vieler Säbelhiebe und Lanzenstiche, welche das

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Leonarda
Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/748&oldid=- (Version vom 1.8.2018)