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dennoch nicht genügen, um die Begeisterung des Malers zu ersetzen, der in seinen Bildwerken das weder durch das Wort, durch Dichtung oder philosophische Abhandlungen, noch durch die Töne der Musik zu erschöpfende Maaß seines innern Menschen findet. Mengs hat auch in seiner höchsten Glanzperiode nicht aus innerer Urkraft heraus geschaffen; er war stets ein malender Kritiker, der es viel besser verstand, etwas Unschönes und Fehlerhaftes zu unterlassen, als etwas Schönes und Vorwurfsfreies aus sich heraus zu gebären. Er konnte keinen Wald machen, aber sehr wohl aus einem vorhandenen Walde einen saubern Park herstellen. Mengs war kein Künstler wie einer unserer neuen Lyriker singt:

„Der etwas mehr im Pinsel führt,
Als kritisch-reine Phrasen,
Daß man die Stürme rauschen spürt,
Wenn er sie schickt zu blasen.“

Das Treibhauspflanzenartige, das Gemachte, Angelernte hat Mengs nie verleugnen können. Er wäre jedenfalls als Kunstphilosoph von viel bedeutenderem Werthe gewesen, als er ihn mit Pinsel und Palette erringen konnte. Es ist eine Aehnlichkeit zwischen ihm und den Caracci, was die kritische Methode, den Eklekticismus in der Kunst betrifft, die so in die Augen springt, daß man sich verwundern muß, weswegen die Parallele zwischen diesen Künstlern nicht längst gezogen wurde, um namentlich über den eigentlichen Werth Anton Raphael Mengs in’s Klare zu kommen, den man mehr als ein Mal nicht allein neben, sondern über die Raphael und Correggio zu stellen Veranlassung genommen hat. So der Ritter Azara, ein unzertrennlicher Freund des Meisters.

Schon im sechsten Jahre zeichnete Mengs nicht übel, im achten mußte er bereits in Oel und Email zu malen beginnen, in welch letzterm Zweige der Vater Ismael Mengs Ruf erworben hatte. Dieser quälte seinen Sohn fast grausam. Das Kind hatte keine Erholungsstunden, und war das ihm Aufgegebene bei der Heimkunft des Präceptors nicht vollkommen, und zwar zur Zufriedenheit desselben, vollendet: so verhängte er Executionen der schonungslosesten Art über den zukünftigen Nacheiferer von Raphael und Correggio. Anton Raphael Mengs war im dreizehnten Jahre seines Alters bereits so weit vorgeschritten, daß ihn der Vater nach Rom führen zu müssen glaubte. Stufenweise, mit der höchsten Sorgfalt leitete hier Ismael seine Bildung, ließ den Knaben mit dem Copiren der alten Sculpturwerke beginnen, und eröffnete ihm dann erst die Gnade, daß er nach Michel Angelo in der Sixtina copiren durfte.

Endlich wurden dem jetzt aus eignem Antriebe mit fieberischer Thätigkeit arbeitenden Kunstjünger auch Raphaels ewige Schönheiten erschlossen. Ismael gab jedoch von seiner Strenge nichts nach. Anton Raphael mußte, um Eins zu erwähnen, bei Brod und einer Flasche mit Wasser den ganzen Tag über im Vatikan arbeiten.

Nach einem solchen Studium von drei Jahren kehrte Mengs nach Dresden zurück, erregte hier durch seine erstaunliche Fertigkeit die Bewunderung August des Starken, erhielt ein damals sehr bedeutendes Stipendium und durfte mit Vater und Schwestern wieder nach Rom zurückkehren. Zu erwähnen ist das eifrige Studium der Anatomie, welchem Mengs sich hingab. Seit 1748 trat der jugendliche Meister mit eigenen Compositionen auf; die erste war eine heilige

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 743. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/760&oldid=- (Version vom 1.8.2018)